Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Hauptwachtmeister Schulz die Hand. »Aber ich denke, wir beginnen am Veritaskai, denn dort liegen größtenteils Hausboote, die sogar den gesamten Winter über bewohnt werden. Vielleicht haben wir ja Glück und treffen jemanden an.«
Anna setzte ihre Wollmütze auf und stemmte sich gegen den harten Ostwind, der in einem fort über den menschenleeren
Anlegeplatz fegte. Die Hausboote schaukelten leicht auf dem Wasser, und der Wind drückte das Wasser so stark in das Hafenbecken hinein, dass man kaum glauben konnte, sich an einem durch eine Schleuse vom Fluss abgetrennten und geschützten Kanal zu befinden. Sieben Hausboote lagen entlang der Anlegestelle vertäut, doch auf den ersten Blick schienen alle unbewohnt zu sein. Nur bei einem einzigen war es möglich, einen Blick in den Innenraum zu werfen, bei allen anderen waren die Gardinen vor den Kajütenfenstern vollständig zugezogen. Auf den ersten Blick ließ sich an Bord der Schiffe jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Und nachdem die Beamten eins nach dem anderen in Augenschein genommen hatten, ohne dabei etwas Verdächtiges festzustellen, schüttelte Hauptwachtmeister Schulz bedauernd den Kopf.
»So kommen wir nicht weiter, Kollegen. Nur ist das Büro der HPA, in dem wir die Namen der Schiffseigner in Erfahrung bringen könnten, heute leider nicht besetzt.«
»HPA, wofür steht dieses Kürzel?«, fragte Weber nach.
»Für die ›Hamburg Port Authority‹, die Behörde, die alles regelt, was im Hamburger Hafen mit der Vermietung von Schiffsliegeplätzen und Ähnlichem zusammenhängt. Ich schlage vor, wir fahren jetzt am Treidelweg vorbei, wo sich ebenfalls noch ein paar Schiffsliegeplätze befinden, und nehmen uns dann anschließend den Überwinterungshafen am Harburger Hauptdeich vor. Er liegt nicht weit entfernt von hier, und mit ein wenig Glück arbeitet dort um diese Zeit noch jemand an seinem Boot.«
Die Beamten setzten sich in ihren Streifenwagen, dem Weber langsam mit seinem Vectra folgte. Aus dem Wagenfenster heraus bestaunte Anna ein wenig wehmütig die alte Holzhafenbrücke zu ihrer Rechten, die wie so manches Gebäude im Harburger Binnenhafen demnächst abgerissen werden würde, um weiteren Platz für den Ausbau der »Harburger Hafen City« zu schaffen.
Unterdessen hatte der Streifenwagen vor einem Schwimmponton am Überwinterungshafen Halt gemacht.
»So, nachdem wir auch im Treidelweg nicht fündig geworden sind, kommt jetzt unsere letzte Anlaufstelle für heute. Das Zuhause für die Clipper-Schiffe«, deutete Hauptwachtmeister Schulz auf einen riesigen Schwimmponton mit dem Firmenschild »Clipper D.I.S. e.V.« vor ihnen.
»›Mississippi‹ heißt die schwimmende Insel mit ihren Werkstätten und allem, was man für das Überholen von Segelschiffen benötigt. Es gibt hier sogar Verpflegungs-und Übernachtungsmöglichkeiten. Zwischen November und März herrscht auf der Insel an den Wochenenden jede Menge Betrieb, aber heute sind wir, fürchte ich, schon zu spät dran. Wird an dem Mistwetter liegen.«
Anna schaute auf den menschenleeren Parkplatz vor dem Ponton, auf dem außer ihren beiden Wagen kein weiterer abgestellt war, und nickte.
»Gut«, meinte Weber, während er sich zum Vectra umwandte. »Dann treffen wir uns Montag früh gegen neun Uhr wieder hier.«
»Moment«, widersprach Schulz, »ein kurzer Besuch bei Rosi kann nicht schaden, denn Mike, der Chef vom ›Mississippi‹
kehrt dort nach getaner Arbeit gern noch auf ein Bier ein.«
»Respekt, Kollege Schulz, Sie kennen sich wirklich bestens aus in Ihrem Revier«, sagte Anna beeindruckt.
»Na ja, ich bin selbst Segler, da kennt man seine Pappenheimer.«
Rosi war die Pächterin einer um die Ecke im Dampfschiffsweg liegenden Kneipe mit dem Namen »Harburger Fährhaus«.
Als die vier Kriminalbeamten dort eintrafen, war sie gerade dabei, ihre vor dem Eingang stehende Schiefertafel wegzuräumen.
»Ist Mike noch da?«, fragte Hauptwachtmeister Schulz.
»Im Moment nicht, aber er kommt gleich wieder. Willst du ein Astra, mein Lieber, oder bist du noch im Dienst?«
»Eine Knolle zum Feierabend kann nie schaden«, grinste Schulz, während er Anna und Weber in die Kneipe bugsierte. »Du hast nicht zufällig noch etwas von deinem Kartoffelsalat da? Ich habe Hunger wie ein Wolf.«
»Da schließe ich mich an«, stimmte Weber begeistert zu, »ich habe heute auch noch so gut wie nichts zwischen die Zähne gekriegt. Gibt es vielleicht sogar noch eine Frikadelle zum Salat?«
Seit mehr als
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