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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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immer.«

Mittwoch
    1.
    Auf der Glastür stand »Hafenmeisterei Peter Hansen« und
darunter »Tourist-Information«. Durch die Glastür konnte er einen Mann hinter
einem Schreibtisch sehen und klopfte.
    Der Mann sah mit mürrischem Blick von seinem Computermonitor auf und
kam zur Tür.
    »Von der Tourist-Information ist noch keiner da!«, rief er von
drinnen. Und als Lüthje nicht sofort ging: »Die sind erst ab zehn da!«
    Lüthje zeigte seine Dienstmarke. Widerwillig öffnete der Mann die
Tür.
    »Polizei? Die war doch schon vorgestern da«, sagte er.
    »Sie sind der Hafenmeister Peter Hansen?«, fragte Lüthje.
    Der Mann nickte.
    »Das war die Spurensicherung gestern«, sagte Lüthje. »Ich bin der
Ermittlungsleiter, Kriminalhauptkommissar Lüthje. Ich muss Ihnen ein paar
Fragen stellen. Darf ich reinkommen?«
    Hansen trat zur Seite. »Ihre Leute sagten, dass das Boot nach Kiel
gebracht wird. Wissen Sie, wann das sein wird?«, fragte er und setzte sich
wieder hinter seinen Schreibtisch.
    »Die Laboer Schiffswerft wird es morgen früh aus dem Wasser nehmen
und zu uns nach Kiel bringen.« Lüthje sah aus dem Fenster auf den Seglerhafen.
»Hier ist fix was los bei Ihnen. Die Interessenten für den Liegeplatz stehen
schon Schlange, stimmt’s?«
    »Ja, das geht hier von Boot zu Boot. Sie können davon ausgehen, dass
hier jeder der dreihundertfünfundsiebzig Liegeplatzmieter darüber Bescheid
weiß.«
    »Dreihundertfünfundsiebzig Zeugen? Ein Geschenk des Himmels!«, sagte
Lüthje.
    Hansen bekam eine Sorgenfalte über der Nasenwurzel.
    »Würden Sie mich bitte zum Liegeplatz begleiten?«, fragte Lüthje.
    Hansen nickte widerwillig und verschloss sein Büro.
    Im Seglerhafen widmete man sich Kleinreparaturen, es wurde gelacht
und geflucht, man machte klar zum Auslaufen oder kam gerade zurück. Am
Fähranleger machte die Fähre von Kiel fest und entlud eine volle Ladung
erlebnishungriger Gäste.
    »Dahinten, die letzte Mole«, sagte der Hafenmeister. »Mole E.
Er wollte einen Liegeplatz ganz vorn, in den man ohne umständliches Manöver
leicht mit seinem großen Boot rein- und rausfahren kann.«
    »Wie lange hatte er den Liegeplatz schon?«
    »Das weiß ich schon gar nicht mehr«, sagte Hansen. »Jedenfalls schon
vor meiner Zeit. Er war Dauerlieger, also nicht nur für ein paar Tage oder eine
Saison.«
    »Gab es mit ihm irgendwelche Unregelmäßigkeiten?«
    »Na ja, normalerweise sagen die Dauerlieger Bescheid, wenn sie einen
Tag oder länger mit dem Boot unterwegs sind. Dann kann ich den Platz in der
Zeit an einen Tageslieger vermieten, der auf einem Törn einen Halt in Laboe
machen will. Die Liegegebühr kann ich dem Dauerlieger gutschreiben. Aber
Drübbisch hat nie Bescheid gesagt, wie lange er weg ist. Also konnte ich seinen
Platz in der Zeit auch nicht weitervermieten.«
    »Warum machte er das?«
    Der Hafenmeister zuckte mit den Schultern. »Entweder brauchte er
nicht auf seine Groschen zu achten. Oder er wusste nie, wann er zurückkommt.
Oder beides.«
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Vorgestern jedenfalls nicht. Es war unheimlich viel los hier. Bei der
Fäkalentsorgungsstation lief es über. Jedenfalls am Einlaufstutzen. Ich hatte
Schwierigkeiten, jemanden von der Entsorgungsfirma ans Telefon zu bekommen. Die
Bootseigner standen hier vor der Tür und drohten mir, ihre Scheiße …
Entschuldigung, aber so war’s … in den Hafen zu kippen. Einigen hätte ich das
auch zugetraut.«
    »Und? Haben Sie es geschafft, es reparieren zu lassen?«
    »Irgendwann nachmittags kam dann einer von den Fachleuten.«
    Inzwischen waren sie am Liegeplatz angekommen. Die Liegeplätze
daneben schienen frei zu sein. Am Bootsheck prangte in goldener Farbe der Name.
    »Golden Girl III ! Hört sich bisschen
nach James Bond an«, sagte Lüthje. »War er auch mit der Golden Girl  II und  I hier?«
    »Möglich. Aber auch das war dann vor meiner Zeit.«
    »Das ist also ein Cruiser«, sagte Lüthje nachdenklich. »Würde mir
auch gefallen. Wie lange braucht man damit bis Kiel?«
    »Ist ’ne Stahljacht. Kein Kunststoff, also verhältnismäßig schwer,
aber sehr belastbar. Aber mit dem Motor … der hat mindestens zweihundertfünfzig  PS . Nach dem Geräusch zu urteilen, ist der bis zum
Rande des Zulässigen aufgemotzt. Wahrscheinlich sogar noch drüber. Wenn Sie es
eilig hätten … mit Volllast könnten Sie es in knapp fünfzehn Minuten bis zum
Jachthafen in Kiel schaffen. Bis zur Hörn, also zur Hafenspitze,

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