Totenreigen
allerdings
noch mal zehn Minuten, weil Sie da nicht so rasen dürfen.«
»Wer kriegt den Liegeplatz jetzt?«, fragte Lüthje.
»Der Nächste auf der Warteliste für diesen Platz.«
»Und wer ist das?«, fragte Lüthje.
»Den Namen wollen Sie? Das muss ich im Computer nachsehen.«
»Dann gehen wir da doch gleich mal nachsehen«, sagte Lüthje und
machte sich mit Hansen auf den Weg zurück zu dessen Büro.
»Wenn Sie Herrn Drübbisch vorgestern nicht gesehen haben, wann haben
Sie ihn denn das letzte Mal gesehen?«, hakte Lüthje nach.
»Auf jeden Fall vor ungefähr drei Wochen. Da gab es wieder jede
Menge Beschwerden, weil die bis in die Nacht feierten.«
»Was meinen Sie mit ›die‹?«
»Drübbisch und seine Gäste.«
»Und was waren das für Gäste?«
»Waren wohl seine Freunde. Ein paar Männer in seinem Alter. Sahen
irgendwie alle gleich aus. Konnten vor Kraft kaum gehen.«
»Und Frauen?«
»Manchmal. Dabei fällt mir ein … Vor ungefähr zwei Wochen war er mal
wieder allein mit einer Frau da. Und noch mal vorigen Freitag. Beide Male
dieselbe Frau.«
»Können Sie die beschreiben?«
»Kann ich nicht so genau sagen. Ich seh die Mole ja von meinem
Fenster nur, wenn ich mich umdrehe. Oder wenn ich grade draußen bin.«
»Sind die beiden nicht bei Ihnen am Büro vorbeigekommen, wenn sie
ins Dorf gingen? Das ist doch der einzige Weg zum Dorf.«
»Stimmt nicht ganz. Von Mole E können die auch hinten den Weg
zwischen der Werft und den Apartments zum Dorf gehen. Das ist zwar ein Umweg,
aber da seh ich die nicht.«
»Wer sollte so was machen, wenn das ein Umweg ist?«
»Die Lieger, mit denen ich ein Hühnchen zu rupfen habe. Die wissen,
dass ich keine Lust habe, ihnen ständig hinterherzulaufen, und sie lieber vor
dem Büro aufgreife. Also gehen sie den Schleichweg.«
»Und hatten Sie gerade kein Hühnchen mit Horst Drübbisch zu rupfen?«
»Da hat er keine Partys gefeiert. Er hatte nur seine Dame mit. Und
die sangen nachts nicht an Bord. Die waren richtig … mh, na ja, haben keinen
Lärm gemacht.« Er grinste. »Ich hab die Frau nur einmal zufällig gesehen. Als
sie am Heck stand. Ich glaub, die ist nie an Land gegangen. Ihn hab ich mal
über die Mole wieder an Bord gehen sehen.«
»Können Sie die Frau beschreiben?«, fragte Lüthje.
»Ich konnte nur erkennen, dass sie lange schwarze Haare hatte. Sah
ziemlich gut aus. Gute Bikinifigur. Ich glaube, der Drübbisch schwärmte für
Schwarzhaarige.«
»Wieso glauben Sie das?«
»Im vorletzten Jahr war er auch mit einer Schwarzhaarigen da«, sagte
Hansen.
»Derselben?«
»Nee, die war etwas fülliger.« Hansen grinste wieder.
»Was ist mit den Nachbarn auf den Liegeplätzen daneben? Ob die etwas
erzählen könnten von der Schwarzhaarigen vor zwei Wochen?«
»Die waren alle unterwegs. Genauso wie heute. Das sind Saisonlieger.
Die wollen das Segelrevier erkunden. Vielleicht aber wollten sie die beiden
nicht stören?« Die Geschichte schien dem Hafenmeister Spaß zu machen.
»Würden Sie die Frau wiedererkennen?«
»Nur wenn sie einen Bikini anhat!«, erwiderte Hansen bitter ernst
und grinste dann wieder.
Inzwischen waren sie wieder an seinem Büro angekommen. Er schloss
die Tür, setzte sich vor seinen Computerbildschirm und klickte mit der Maus.
» And the winner is … Jörg Baginski aus
Kiel!«, rief Hansen aus.
»Haben Sie noch mehr als den Namen?«, fragte Lüthje.
»Wohnsitz in Kiel und Nummer des Personalausweises«, antwortete
Hansen.
»Dann diktieren Sie mir das mal«, sagte Lüthje, notierte sich alles
in sein Tagebüchlein und klappte es zu. »Das mit dem Bikini kann ich Ihnen
nicht versprechen, Herr Hansen. Aber ich glaube, Sie haben sich die Frau genau
angesehen. Mit dem Fernglas auf der Fensterbank neben Ihnen. Tschüss.«
2.
Die Buchhandlung im Hafenpavillon lag am Anfang der
Strandpromenade gegenüber vom Rosengarten und in unmittelbarer Nähe zum
Fähranleger nach Kiel. Eine hervorragende Lage, um Laufkundschaft abzufangen.
Über dem Eingang stand in übergroßen Lettern auf einem schiffartigen Holzbrett
»Mediengaleere«. Vor dem Eingang empfing den Besucher eine Grabbelkiste in Form
eines Wikingerbootes mit Muschelkästchen, Seesternen, Schäufelchen und
Eimerchen. An einem frei stehenden Drahtständer lockten Sonnencreme,
Sonnenbrillen, Sonnenhüte und Ansichtskarten.
Im Laden selbst gab es Bücher und Videos. Die Regale reichten bis
unter die tief hängende Decke. In der Mitte des Verkaufsraumes standen
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