Totenreigen
kleines Duschbad.
Das Fenster zur Strandstraße öffnete den Blick über die Promenade,
den Strand, die Außenförde bis Schilksee und Bülk. Im Westen standen quer über
dem untergehenden Sonnenball ein paar schmale, parallel verlaufende
Wolkenbänder, die in einem leicht geschwungenen Bogen den Horizont
nachzeichneten.
Vom Fenster zum Hofgarten sah man links in den Garten der
Sundermeiers und rechts zu Ingrid Klockemann. Hinter den Gärten verlief der
Promenadenweg entlang des Hanges zum Lammertzweg und Hexenstieg.
Er ging hinunter in den Keller und schaltete seine Taschenlampe an.
Von einem breiten Flur gingen vier Kellerräume ab. Ebenso wie in den
oberen Räumen standen alle Türen weit offen. Alle vier Räume hatten je ein
schmales Fenster, das mit der Oberkante an die Kellerdecke grenzte. Im
Kellerraum auf der Seite zu Klockemann stand ein alter Holztisch schräg
zwischen dem Fenster und der rechten Wand, als habe man ihn verrücken wollen
und sei dabei gestört worden. Auf dem Zementfußboden waren von der
Spurensicherung mit Kreide Striche gezogen worden, die Linien von der Wand bis
an die Tischbeine markierten.
Lüthje ging zum Kellerfenster und sah vom Hauseingang der
Klockemanns bis zu den Treppenhausfenstern und einem kleinen Fenster, das
wahrscheinlich zu einem Raum im Obergeschoss gehörte.
Er rief Prebling an.
»Lüthje hier. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei Ihrem Feierabend.«
»Keineswegs. Ich kann die Überwachung des Grills an meinen Schwager
abgeben … So, jetzt hab ich frei. Ich bin ganz Ohr.«
»Ich stehe in einem Kellerraum des Tathauses in Laboe und sehe einen
Tisch schräg und Kreidestriche am Boden. Können Sie mir dazu schon etwas
sagen?«
»Ich versuche kurz zusammenzufassen. Unter Vorbehalt.«
»Okay.«
»Der Tisch muss vor … ich schätze, zwei bis vier Wochen ursprünglich
direkt unter dem Fenster gestanden haben. Die Zeit haben wir aus der
Staubverteilung und den Sandspuren auf dem Boden ermittelt. Aber das
interessiert Sie sicher im Moment nicht.«
»Stimmt«, sagte Lüthje.
»Der Tisch ist von einer Position unter dem Fenster in Richtung der
Wand rechts gerückt worden. Vielleicht ging es aber nur darum, den Platz unter
dem Fenster frei zu haben. Es gibt ein paar Reste von Fußabdrücken. Mit denen
konnte man aber leider nicht viel anfangen. Wir haben sie fotografiert, aber
versprechen Sie sich nichts davon.«
»Weitere Spuren?«
»Ja, da wird es vielleicht interessant. Menschliche Haare auf dem
Tisch und auf dem Boden. Sind wahrscheinlich im selben Zeitraum dorthin
gelangt, als der Tisch verschoben wurde. DNA -Spuren
auf dem Tisch. Leider massiv verunreinigt. Aber wir arbeiten daran.«
»Was für Haare? Männlein, Weiblein?«
»Beides. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.«
»Sind Sie mit dem Kleid weitergekommen?«
»Die Rückseite des Kleides zeigt zwei Phasen von Gewebeschädigungen,
die durch das Aufhängen an der Hauswand hervorgerufen werden. Bei jeder noch so
leichten Luftbewegung kratzt die Rückseite des Kleides an der rauen Hauswand.
Das summiert sich messbar schon über einen Zeitraum von einer Stunde. Die erste
Phase der Schädigung ist alt und ausgeprägt. Die zweite Phase ist sehr jung.
Höchstens ein paar Monate alt. Wir haben in beiden Schichten Blütenpollen
gefunden. Zwischen diesen Schichten liegt eine Staub- und Schmutzschicht.
Natürlich sehen Sie das nicht mit bloßem Auge, sondern nur unter dem Mikroskop
ab zweihundertfacher Vergrößerung. Ich vermute, dass das Kleid vor ein paar
Jahrzehnten mehrfach an die Hauswand gehängt wurde, dann nicht mehr benutzt wurde
und Anfang dieses Jahres, also vor dem Frühlingsanfang, wieder an die Hauswand
gehängt wurde.«
»Also vor sechs Monaten etwa?«
»Möglich.«
»Ist das Kleid denn nie gewaschen worden?«
»Es hat eine Baumwollstruktur aus den fünfziger Jahren. Es ist nie
in einer modernen Waschmaschine gewaschen worden. So
viel kann ich sagen. Vielleicht ist es früher oft getragen worden, und es blieb
nie Zeit für die Waschmaschine, die ja damals auch nicht jeder Haushalt hatte.
Ich glaube, es ist überwiegend mit der Hand im Waschbecken gewaschen worden.«
»In dem Waschbecken im Bad im ersten Stock?«
»Ja, sehr gut möglich.«
»Haben Sie die blutgetränkten Ordner aus der Abstellkammer lesbar
machen können?«
»Die chemischen Lösungen brauchen einige Stunden, um zu wirken.
Danach fotografieren wir es. Den Rest machen wir mit Fotosoftware.«
»Sie haben doch sicher
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