Totenreigen
Quadratmeterpreise
davonlaufen.«
»Wollen Sie sagen, dass Sie zufällig der Nächste auf der Warteliste
für die Liegeplätze waren?«
»Ich hab mich schon vor Jahren im Einverständnis mit Horst als
Nachfolger für seinen Liegeplatz eingetragen. Das hört sich makaber an, ist bei
uns aber so üblich. Mein Nachfolger steht auch schon fest. Wenn der ausfällt,
folgt ihm der Nächste. Man kann sich auch für einen Liegeplatz in Monte Carlo
bewerben. Das ist Geschmackssache. Mir wäre das zu schrill.«
»Waren Sie auch auf den Bootpartys Ihres Vorgängers?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Ich bin glücklich verheiratet.«
»Glückwunsch. Aber hätte Ihre Frau nicht mitkommen können?«
»Die Partys waren einfach nichts für uns.«
»Sie meinen, es war mehr was für unverheiratete Singles?«
»So kann man es ausdrücken.«
»Was war Horst Drübbisch für ein Mensch?«, fragte Lüthje.
»Er war gut im Job. Aber hatte zu wenig Bodenhaftung. Das ist alles,
was ich Ihnen über ihn sagen kann.«
»Wo waren Sie Samstag?«
»Berlin und Madrid. Vorbereitungen für ein Gipfeltreffen. Abends
Brüssel.«
»Haben Sie Zeugen?«, fragte Lüthje.
»Keine, die Ihnen zur Verfügung stehen würden. Wie weit sind Sie bei
den Ermittlungen? Haben Sie schon eine Spur?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen«, antwortete Lüthje.
»Natürlich. Tut mir leid, dass ich Ihnen zu nahe getreten bin, Herr
Kriminalhauptkommissar.«
»Wer sagt Ihrer Steuerungsgruppe X ,
was Sie tun müssen?«, fragte Lüthje.
»Eine Mischung aus Politikern und Militärs. Unser Beruf ist also mit
großen Risiken verbunden. Jeder für alle und alle für einen. Sie können sich
bewerben. Der eigentliche Grund meines Besuches bei Ihnen ist dieser …« Er zog
eine Plastikkarte mit Schlüsselband aus einer Hosentasche, ähnlich der, die er
um den Hals trug. »Ich lade Sie zu einem Kieler-Woche-Empfang der Ehrengäste
ein, die auch hier zur Opernaufführung erscheinen werden. Im Scancode der Karte
sind alle notwendigen Angaben. Heute Nachmittag im Hotel Wave am
Hindenburgufer.«
»Hätten Sie mir das nicht früher sagen können? Ihre kurzfristige
Terminierung soll wohl meinen Ermittlungsplan durcheinanderbringen.«
Lüthje nahm die Karte und steckte sie unbesehen in seinen Rucksack.
»Mein Chef hat mich vor ein paar Tagen angewiesen, ihn sofort darüber zu
informieren, wenn ich während der Ermittlungen etwas finde, das auf eine
politische Dimension hinweist.«
Baginski lachte auf. »Kein Wunder! Schackhaven hat sich schon einmal
bei uns beworben.«
»Haben Sie ihn abgelehnt?«
»Wir haben nicht reagiert«, sagte Baginski. Er stand auf und wischte
sich den Sand von der Hose. »Er ist ein Bürokrat, und es fehlt ihm an der
notwendigen Geschmeidigkeit. Entscheiden Sie selbst, ob Sie ihm über unser
Gespräch berichten. Ich erwarte Sie im Wave.«
12.
Als Baginski wieder zum Ehrenmal gegangen war, schloss
Lüthje das Holzgitter vor dem Strandkorb und stellte das Fahrrad auf der
Rückseite des Drübbisch-Hauses ab.
Er holte den Hausschlüssel aus der Sicherheitstasche seines Rucksackes
und betrat den Flur. Die tief stehende Sonne streckte blassrote Lichtfinger
durch Fenster und offen stehende Zimmertüren.
Der Tatortreiniger hatte die Spuren des Blutes nur im Farbton
mildern können.
Eine blasse, aber trotzdem deutliche Verfärbung überzog die
Bodenkacheln in langen Schlieren zwischen Haustür und Abstellkammer. In den
bitteren zitronenartigen Geruch der Desinfek tionsmittel mischte sich schwach,
aber deutlich der Geruch des Todes. Vielleicht rochen das nur Menschen, die den
Toten in seinem Blut gesehen hatten.
Lüthje ertappte sich dabei, dass er auf Zehenspitzen ging, nur um
das nicht mehr vorhandene Blut nicht mit der ganzen Schuhsohle zu berühren.
Am Fuß der Treppe nach oben rief er laut: »Ist da jemand?«
Das »mand« hallte aus verschiedenen Richtungen kurz nach.
Im ersten Stock sah er nur flüchtig in die Zimmer, als ob er sich
vergewissern wollte, dass sich wirklich niemand außer ihm im Haus aufhielt.
Helle Flecken auf den verblassenden Tapeten zeigten, wo Möbel gestanden und
Bilder gehangen hatten.
Als er die Treppe zur Mansarde hinaufstieg, wurde der säuerliche
Geruch stärker als die Reinigungsmittel. Lüthje griff in die linke Tasche
seines Cordjacketts, legte sich einen Knäckebrotkrümel auf die Zunge und
öffnete die Fenster. Es gab ein kleines Zimmer nach hinten und ein großes nach
vorn zur Strandstraße, dazwischen ein
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