Totenreigen
Lüthje und steckte das Buch in seinen Rucksack.
»Sie können das Schild jetzt wieder abnehmen.«
»Einen Moment noch«, sagte er dann und sah nachdenklich durch die
Glastür zum Hafen hinüber. »Ich muss noch mal darauf zurückkommen. Wer war das,
der Ihnen Laboe als Standort für diese Buchhandlung empfohlen hat?«
»Ich hatte den Tipp von einer Freundin in Kiel, deren
Schwiegermutter hier in Laboe ein großes Haus hat«, sagte sie mit brüchiger
Stimme und gesenktem Blick, als würde sie ein Geständnis ablegen.
»Und wie heißt diese Schwiegermutter?«, fragte Lüthje.
»Klockemann. Ja, Klockemann. Ist ja logisch.«
»Wieso ist das logisch?«
»Weil meine Freundin verheiratet ist und auch Klockemann heißt.«
»Und mit Vornamen?«
»Verena.«
»Und die Schwiegermutter haben Sie nie gesehen?«
»Nein, wieso?«
»Hätte ja sein können, dass die sich mit dem Namen Jasch vorgestellt
hat.«
Frau Perlinger sah ihn verwirrt an.
»Wie haben Sie von dem Mord in der Strandstraße erfahren?«, fragte
Lüthje.
»Die Frau Jasch, ich meine …«
»Die sich als Frau Jasch ausgegeben hat«,
korrigierte Lüthje. »Was hat die Frau denn erzählt?«
»Da ist einer am helllichten Tag in seinem Haus ermordet worden.«
»Mehr hat sie nicht gesagt?«
»Die war schon zufrieden, dass ich mich erschrocken habe. Ich hab es
ihr angesehen.«
»Okay, Sie können mich jetzt rauslassen«, sagte Lüthje.
Frau Perlinger schloss die Tür auf. »Meinen Sie, ich sollte mehr
Krimis auf die Tische legen?«
»Fragen Sie Ihre Kunden«, antwortete Lüthje.
3.
Auf dem Weg zum Strandkorb fuhr Lüthje am Probsteier Platz
vorbei, um in einem Drogeriemarkt Waschbenzin zu kaufen. Als er nach einer
Abstellmöglichkeit für das Fahrrad suchte, sah er Albert Sundermeier am Rathaus
mit einem Einkaufsbeutel in Richtung Parkstraße eilen. Der kürzeste Weg zu seinem
Haus wäre die Strandstraße gewesen.
Albert Sundermeier verlangsamte plötzlich seinen Schritt. Aus
Richtung Parkstraße sah Lüthje Ingrid Klockemann mit energischem Schritt direkt
auf Sundermeier zugehen. Er senkte schnell den Kopf und machte kehrt, als habe
er etwas für seinen Einkauf vergessen. Ingrid Klockemann war jedoch schneller
und stellte sich ihm in den Weg.
Sie redete auf ihn ein, er sah sie kurz von unten an, schüttelte den
Kopf, wollte etwas sagen, aber sie redete weiter.
Lüthje ging auf die beiden zu.
»Es ist, wie es ist«, hörte er Ingrid Klockemann noch gepresst
sagen. Im nächsten Augenblick bemerkten sie ihn.
Albert Sundermeier nickte Lüthje freundlich zu und sagte: »Die
Arbeit ruft mich.«
Er ging in Richtung Strandstraße davon.
Ingrid Klockemann sah mit offenem Mund zwischen Lüthje und dem sich
entfernenden Albert Sundermeier hin und her.
»Was für ein glücklicher Zufall, Frau Klockemann«, sagte Lüthje.
Einige Passanten blickten sich zu ihnen um. »Ich war gerade auf dem Weg zu
Ihnen.« Er nahm den Rucksack von den Schultern und zog das Buch hervor.
»Ich war in der Büchergaleere am Rosengarten. Die Dame dort hat mir
das Buch für Sie mitgegeben, als ich erzählte, dass ich auf dem Weg zu Ihnen
bin.« Er drückte ihr das Buch in die Hände.
»Das … das muss ein Irrtum sein. Ich habe das nicht bestellt.«
»Aber Sie kennen doch sicher Frau Perlinger, die Buchhänd lerin. Die
hat Sie mir jedenfalls genau beschrieben. Sie hatte nämlich ein Problem mit dem
unleserlichen Lieferschein. Und da hat sie gefragt, ob ich helfen könnte. Wie
heißt es so schön, ›die Polizei, dein Freund und Helfer‹. Und nach der
Beschreibung habe ich Sie erkannt! Sie sind doch unverwechselbar!«
»Aber … nein … das muss ein Irrtum sein … ich werde das mit Frau
Perlinger klären müssen … aber, wenn ich es mir recht überlege …« Sie drehte
das Buch in den Händen hin und her. »Jetzt fällt es mir ein! Es ist ein
Geburtstagsgeschenk für meinen Sohn. Er liest so gern Krimis. Ich hatte von
diesem Buch in der Zeitung gelesen. Entschuldigen Sie meine Verwirrtheit. Der
Schock. Ich weiß manchmal nicht, was ich sage. Der Arzt hat mich davor gewarnt,
dass mir solche Dinge passieren können.«
»Kann ich gut verstehen, Frau Klockemann.«
»Ja dann … schönen Feierabend noch. Wie ich sehe, sind Sie ja mit
dem Fahrrad unterwegs.«
»Was tut man nicht alles für seine Gesundheit, Frau Klocke mann.«
Sie steckte das Buch in ihre Einkaufstasche und ging, nein sie lief
in die Richtung, aus der sie gekommen war, den Umweg durch den Park und
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