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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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seiner Gesamterscheinung unterzogen. So sah es jedenfalls aus. Mit
seinem alten Cordjackett wäre das nicht so glatt gegangen. Aber er hatte ein
Outfit gewählt, das Hilly bei einem gemeinsamen London-Trip für ihn ausgesucht
hatte und das er der Kieler Woche wegen am Samstagabend in seinem Gepäck nach
Laboe mitgenommen hatte.
    Das Rednerpult auf der Bühne war noch beleuchtet. Auf einer großen
Bildfläche war das aktuelle Wellendesign der Kieler Woche als Hintergrund für
das Logo der Nato eingeblendet.
    Im Saal standen Männer an Bistrotischen, überwiegend in
ordensschweren Uniformen der obersten Dienstränge verschiedener Nationalitäten,
aber auch ganz zivil in marineblauem Leinen. Man trank Sekt. Auf der Terrasse
hielten sich die Frauen auf, deren Männer im Saal langweilige Gespräche
führten. Hier wurde unter großen Sonnenschirmen gescherzt und an Gläsern
genippt, die von gut aussehenden Kellnern eifrig nachgefüllt wurden. »A touch of Ascot« , würde Hilly sagen, mit Blick auf
die ausladenden Hüte.
    Jenseits der Terrasse und des von elegant gestutzten Büschen
getarnten Sicherheitszaunes sah man die Förde mit weißen Segeln bedeckt und
dahinter als passende Kulisse das U-Boot-Dock, den Marinehafen und die Werft
mit ihren riesigen Portalkränen.
    »Herr Lüthje?«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Es war Schackhaven. Er starrte ungläubig auf Lüthjes Halsband mit
der Karte. »Was machen Sie hier? Sie sollten mich doch informieren …«
    »… wenn ich während der Ermittlungen auf eine politische
Dimension stoße«, sagte Lüthje. »Aber es ist nicht das, was Sie denken. Ich bin
eingeladen worden. Von Herrn Baginski. Und da ich zufällig etwas Zeit hatte …«
    »Wie kommt Herr Baginski dazu, Sie einzuladen?«, fragte Schackhaven
fassungslos.
    »Sie meinen, er hätte diesbezüglich Rücksprache mit Ihnen halten
müssen?«
    »Natürlich!«, sagte Schackhaven empört. Einige Umstehende sahen
herüber. Schackhaven bebte. »Ich wünsche über den Vorgang einen förmlichen
Bericht, Herr Lüthje! Das hat Konsequenzen!«
    »Da gibt es nicht viel zu berichten«, sagte Lüthje ruhig. »Er hat
mich mit einer Kamera vom Ehrenmal aus am Strand beobachtet und wollte sich
dann in meinen Strandkorb setzen. Das habe ich abgelehnt. Trotzdem hat er mich
eingeladen. Sie können ihn fragen. Warten Sie, ich gehe ihn suchen«, sagte
Lüthje und ließ Schackhaven stehen.
    Lüthje ging zur Galerie hinauf, die im ersten Stock um den Saal
herumlief. Schackhaven sah ihm nach, nahm einer Kellnerin zwei Gläser Sekt vom
Tablett und ging kopfschüttelnd in Richtung Terrasse.
    »Freut mich, dass Sie kommen konnten, Herr Lüthje!«, rief Baginski.
Er kam aus einem Flur auf Lüthje zu.
    »Wollten Sie mir Ihren Arbeitsplatz zeigen?«, fragte Lüthje.
    »Dies hier ist die Sonnenseite.« Baginski stützte sich mit den
Unterarmen auf das Geländer und sah hinunter. Er trug ein Headset mit einem
langen Mikrofonarm am Kopf.
    »Mich interessiert die dunkle Seite«, sagte Lüthje.
    »Ich habe beobachtet, dass Herr Schackhaven Sie hier sofort entdeckt
und angesprochen hat«, sagte Baginski unvermittelt. »Nach unserem
Strandgespräch war mir klar, dass er Sie an seine dienstliche Weisung erinnern
würde.« Er sah Lüthje fragend an.
    Lüthje nickte.
    »Er hat Ihr Erscheinen an diesem Ort zu dieser Zeit so
interpretiert, dass Sie hier eine Spur verfolgen, die eine politische Dimension
hat. Darüber haben Sie ihn nicht informiert. Er hat Ihnen gesagt, dass das
Konsequenzen für Sie haben wird.«
    »Haben Sie das Gespräch mitgehört?«, fragte Lüthje lächelnd.
    »Schackhaven wollte unter anderem verhindern, dass Sie hier
auftauchen«, sagte Baginski, ohne auf Lüthjes Frage einzugehen. »Das ist das
Schlimmste, was ihm hier passieren konnte. Denn er hat hier in jedem
informellen Gespräch, das den Mord in Laboe am Ehrenmal berührte, verbreitet,
dass es nach seinen Ermittlungen keinen Bezug zu dieser Arbeitstagung habe und,
wenn doch, würde die Ermittlung des Täters unsichtbar hinter den Kulissen
ablaufen.« Baginski streckte sich. »Nun stehen wir hier beide oben zusammen,
und jeder kann uns sehen. Sagen Sie nicht, ›den Lüthje kennt hier keiner‹. Herr
Kriminalrat Schackhaven beantwortet soeben die Fragen, wer denn der Herr sei,
mit dem er vorhin so aufgeregt geredet hat, mit dem Hinweis darauf, dass Sie
bei ihm eben zum Rapport erschienen seien und er Ihnen neue Ermittlungsaufträge
gegeben habe.«
    »Und warum erzählen Sie mir

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