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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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gesprochen. Polizeirat
Miesbach ist einverstanden. Ich erwarte Sie kurz nach dreizehn Uhr in Laboe, in
der Strandstraße. Ein paar hundert Meter vor dem Ehrenmal. Ich vermute, die
Absicherung der Spurensicherung ist schon von Weitem zu sehen.«
    Schackhaven legte auf.
    Dieses Stakkato in Schackhavens Stimme fand Lüthje beunruhigend. Er
kannte Schackhaven nur als drögen, einschläfernd sprechenden Vorgesetzten.
    »Ja, wer bin ich denn? Ich habe keinen Mann mit blutigem Mantel in
Kiel gefunden, so ein Quatsch!«, rief Lüthje und bemerkte erst jetzt, dass
Husvogt immer noch in der Tür stand. »Raus!«, herrschte er ihn an, und Husvogt
entfernte sich eilig in Richtung seines Zimmers. Lüthje war sich sicher, dass
der Kommissar dabei immer noch grinste. Er griff sich die Wagenschlüssel vom
Schreibtisch und sah auf die Uhr. Viertel nach elf.

2.
    Als Lüthje kurz nach dreizehn Uhr die Strandstraße
Richtung Ehrenmal entlangfuhr, sah er vor einem Haus einen vollgeparkten
Bürgersteig. Schackhaven lief auf der Strandpromenade hin und her und sah auf
die Uhr. Lüthje hupte zweimal und parkte vor der Schwimmhalle.
    Jedes Jahr wurde Schackhavens Jacke enger, und über den Hosenbund
quoll der Bauch. Neu war der blau-weiße Schlips mit stilisierten Segelbooten,
dem aktuellen Logo der diesjährigen Kieler Woche. Dazu sportliche Slipper und
eine Elbseglermütze.
    Schackhaven hatte die Hände in den Hosentaschen und blickte
gedankenvoll zu Boden. Erst als Lüthje dicht vor ihm war, sah er auf, gab ihm
die Hand und fragte Lüthje unvermittelt:
    »Sie waren doch gestern in Laboe. Waren Sie auch bei der Probe am
Ehrenmal?«
    »Welche Probe?«, fragte Lüthje.
    »Auf dem Vorplatz am Marine-Ehrenmal.«
    »Ach ja?«
    »Wissen Sie nicht, dass vor dem Marine-Ehrenmal eine Oper aufgeführt
werden soll?«
    »Ich interessiere mich nicht für Opern.«
    »Freut mich, dass Sie trotzdem gekommen sind«, sagte Schackhaven
etwas gezwungen lachend und gab ihm erst jetzt zur Begrüßung die Hand.
    »Wir gehen unten am Strand entlang.« Schackhaven gab die Richtung
vor, ohne weiter zu fragen. Sie gingen an der nächsten Strandbude zum Wasser
hinunter Richtung Norden, zum Ehrenmal.
    »Passen Sie auf, man rutscht leicht aus«, sagte Lüthje. »In der
kalten Jahreszeit ist der Sand härter. Jetzt ist er weich und kriecht in die
Schuhe.«
    Schackhaven antwortete nicht. Er sah mit zusammengekniffenen Augen
zum Ehrenmal. Sein Blick wanderte den über achtzig Meter hohen Turm langsam
hinauf – und ebenso langsam wieder hinunter. Lüthje konnte beim besten Willen
nichts Besonderes an der Fassade erkennen.
    Sie waren jetzt auf der Höhe des Hauses angelangt, in dem die
Spurensicherung arbeitete. Viel konnte Lüthje nicht erkennen, weil der
Strandzaun, der hohe Zaun vor dem Grundstück und Bäume die Sicht versperrten.
Nur dass es sich um eine zweistöckige Villa mit Ecktürmchen handelte. Hinter
einem Mansardenfenster sah jemand von der Spurensicherung im weißen
Plastikoverall zu ihnen herunter.
    »Man beobachtet uns«, sagte Lüthje.
    »Das sind unsere Leute.« Schackhaven sah zum Haus, so als wolle er
sich vergewissern. »Das lässt sich nicht vermeiden.«
    »Wollen wir uns nicht den Tatort ansehen?«
    »Ich war schon dort. Das können Sie nachher machen. Zuerst muss ich
mit Ihnen unter vier Augen sprechen.«
    Dann tu es doch, dachte Lüthje, klaubte einen Stein aus dem Ufersaum
und warf ihn mit trotziger Bewegung flach über das Wasser. Er schlug mehrfach
auf, bis er versank.
    »Steine titschern, kennen Sie das?«
    Schackhaven schüttelte den Kopf.
    »Versuchen Sie es doch auch mal«, sagte Lüthje und reichte ihm einen
Stein.
    »Ich hab damit keine Übung. Ich weiß nicht, ob mein Rücken da
mitmacht«, sagte Schackhaven.
    »Hat mir schon als Kind gefallen«, sagte Lüthje. »Und fast wie im
richtigen Leben: Wir titschern so oft wie möglich an der Oberfläche entlang,
erholen uns wieder, und das geht so weiter, mal mit mehr, mal mit weniger
Schwung. Aber irgendwann ist Schluss. Wir gehen unter. Hier, sehen Sie!« Er
holte aus und zählte mit. »Eins, zwei, drei, vier, fünf und weg! Haben Sie
gesehen? Fast sechsmal! Versuchen Sie es doch mal!«
    Schackhaven sah ihn verständnislos an.
    Lüthje fiel Dr. Schöttels Spritze ein. Er hatte sie fast
vergessen, weil er jetzt schmerzfrei war. Er ging ein paar Schritte vor
Schackhaven und begann demonstrativ, Muscheln zu sammeln. Bücken, aufrichten,
bücken, aufrichten.
    »Sehen Sie, jede Menge

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