Totenreigen
war.
Und seinen Wagen brauchte er, weil er morgen früh seine Frau vom Flughafen
Hamburg abholen wollte.
Hoyer bot sofort an, dass sie ihn nach Laboe fahren würden.
Lüthje lehnte wieder dankend ab. Er freue sich auf die Busfahrt.
Vielleicht würde ihm im Bus wieder jemand auffallen, der einen langen Mantel
mit verdächtigen Schmutzrändern trug, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Vehrs und Hoyer sahen sich betroffen an und setzten sich wieder.
»Entschuldigung, Herr Lüthje«, sagte Hoyer, »ich hatte vergessen,
Bescheid zu sagen, dass das Krankenhaus angerufen hat. Es geht Rainer Stolze
besser. Er kann wieder etwas sprechen und scheint orientiert zu sein.
Vernehmungsfähig ist er aber nicht.«
»Wenn er nicht vernehmungsfähig ist, brauchen Sie sich nichts
vorzuwerfen. Was nicht heißt, das da nicht noch viele Fragen zu klären sind.«
»Wir wissen immer noch nicht, wieso Rainer Stolze im Drübbisch-Haus
war«, sagte Vehrs.
»Vielleicht war es wirklich nur Zufall«, meinte Hoyer. »Mit dem Mord
an Horst Drübbisch hat er jedenfalls nichts zu tun.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte Lüthje. »Und was ist mit dem
Kleid an der Hauswand? Auch nur Zufall? Aber jetzt raus mit euch. Morgen sehen
wir weiter.«
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, griff Lüthje zum
Hörer und wählte die Handynummer von Ursula Drübbisch. Sie saß auf ihrem Balkon.
»Einen Moment, ich gehe ins Wohnzimmer«, sagte sie. »Sie wissen ja,
die Balkonnachbarn hören sonst mit.«
Er hörte, wie sie die Balkontür schloss. »So, Herr Lüthje, gibt es
was Neues?«
»Wir haben den Täter. Und er hat gestanden.«
»Wer ist es?«
»Jochen Klockemann.«
Lüthje hörte ihren stockenden Atem.
»Warum? Warum hat er es getan? Sein Jugendfreund!«, rief sie
plötzlich.
»Eifersucht. Ihr Sohn hatte ein Verhältnis mit Herrn Klocke manns
Frau.«
»Verena.«
»Ja. Kennen Sie sie?«
»Flüchtig.«
»Wie flüchtig?«
»Ich hab sie mal bei einem Gartenfest gesehen.«
»Was für einen Eindruck hatten Sie von ihr?«
»Ich habe es vergessen.«
Ihr Sohn war in die Fußstapfen seines Vaters getreten, dachte
Lüthje. Auch was Frauen betraf. Sie dachte im Moment wahrscheinlich das Gleiche.
»Was wissen Sie über dieses … Verhältnis?«, fragte sie.
»Nicht viel. Aber wir werden diese Dinge noch ermitteln.«
Die Details wollte Lüthje jetzt nicht schildern. Auch nicht, dass
die hilfsbereite Mutter Klockemann auch in Untersuchungshaft saß. Ursula
Drübbisch würde alles ohnehin bald von ihrem Anwalt erfahren.
»Ich danke Ihnen, Herr Lüthje.« Sie legte auf.
Er rief Hilly an und teilte ihr mit, dass er sie morgen früh am
Flughafen abholen könne. Er hätte es irgendwie einrichten können.
»Nein, das hört sich nicht gut an«, sagte Hilly. »Ich nehme mir
einen Mietwagen.«
»Wir haben den Täter, und er hat gestanden.«
»Aber?«
»Noch ein paar Kleinigkeiten. Mach dir deshalb keine Sorgen.«
»Na gut. Das erzählst du mir aber morgen im Auto!«
»Na klar. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich.«
Lüthje rief in Flensburg an und berichtete seinen Mitarbeitern
Husvogt und Blumfuchs vom Stand der Ermittlungen. Sie gratulierten ihm
natürlich. Lüthje schlug vor, dass die Ermittlungsgruppe Friedenshügel sich zu
einem Grillfest auf dem alten Flakbunker am Stoschplatz in Laboe einfinden
sollte, einschließlich Malbek und Dr. Brotmann. Allerdings würde das noch
bis zu Malbeks Rückkehr aus dem Urlaub Ende nächster Woche warten müssen –
unter der Voraussetzung, dass der Fall bis dahin völlig aufgeklärt wäre. Wofür
sie vollstes Verständnis hatten. Schließlich trug ihr Chef Lüthje den
Spitznamen »Lupenkieker«.
Als Lüthje auflegte, klingelte das Telefon wieder. Es war Ursula
Drübbisch.
»Können Sie um Viertel vor vier zum Fähranleger Reventlou kommen?
Ich würde Ihnen gern etwas erzählen. Auf der Fähre nach Laboe.«
Lüthje sagte zu, obwohl der Bus ihm eigentlich lieber gewesen wäre.
Sie ging mit ihm auf das Oberdeck, in der Nähe des Niedergangs
auf der Steuerbordseite. Zwei junge Frauen saßen auf der anderen Schiffsseite.
Sie waren also ungestört.
»Hier werden die Worte vom Wind verweht«, sagte Ursula Drübbisch.
»In einem Zimmer hängen sie lange im Raum und setzen sich sogar in der Kleidung
fest.«
An ihnen zog die Kulisse der Kieler Woche vorbei. Überall
Segelboote, durch die sich die Fähre mit einigen Hupsignalen den Weg bahnte. An
den Ufern drängten sich Menschenmassen an weißen
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