Totenreigen
endgültig
vernichten. Also musste sie als gute Mutter den Menschen töten, der ihren Sohn vernichten
könnte, diesen Lambert Sundermeier, der auch schon ihr Liebesglück vernichtet
hat. Lambert Sundermeier war an allem schuld, und deshalb wollte sie ihn töten.
Richtig?«
»Danke, Frau Gutachterin, ich habe keine Fragen mehr«, sagte Lüthje
und sah sie lächelnd im Rückspiegel an.
»Ich bin noch nicht fertig, Euer Ehren«, sagte Hoyer. »Ich glaube,
ihre Intrigen und Gehässigkeiten waren nur Reaktionen auf ihre
Lebensenttäuschungen. Sie konnte das Glück anderer Menschen nicht ertragen,
deshalb wollte sie deren Glück immer zerstören.«
»Der Witwe Drübbisch ist es ja im Leben auch nicht so gut gegangen,
oder?«, fragte Vehrs. »Warum ist die nicht zur Mörderin geworden?«
»Sie ist ein anderer Mensch«, sagte Lüthje. »Außerdem hat sie noch
ein anderes Problem.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Hoyer.
»Weiß ich noch nicht«, sagte Lüthje.
»Sie sagten vorhin, dass Sie einen Schatten hinter Lambert
Sundermeier gesehen haben und dann die Treppe hochgelaufen sind«, sagte Vehrs
zu Lüthje.
»Ja und?«
»Das sind doch sechs oder sieben Treppen gewesen!«
»Acht!«, sagte Lüthje.
»Donnerwetter! Meine Hochachtung!«, sagte Vehrs.
»Wieso?«, fragte Lüthje.
»Machen Sie Lauftraining oder so was?«
»Ich fahre Rad!«, sagte Lüthje.
Vehrs nickte anerkennend, aber er wirkte nicht überzeugt.
Als sie auf den Parkplatz vor dem Krematorium einbogen, sahen
sie Dr. Brotmann und Prebling von der Spurensicherung vor dem Eingang ins
Gespräch vertief. Etwas abseits stand ein Mann im schwarzen Anzug.
»Pätzoldt«, stellte sich der Mann vor. »Mit a-Umlaut und dt. Ich bin
der Leiter des Krematoriums.«
»Lüthje. Mit th. Kriminalhauptkommissar. Wir führen Ermittlungen in
einem Mordfall.«
»Worum geht es Ihnen denn nun genau?«, fragte Pätzoldt spitz.
Lüthje verzichtete darauf, Vehrs und Hoyer vorzustellen.
»Wie viele Einäscherungen haben Sie für die Firma Klockemann seit
vergangenem Sonntag gemacht?«
»Vier.«
»Wo sind die Urnen?«
»Im Urnenraum.«
»Wie viele Särge stehen noch im Stau?«
»Ebenfalls vier.«
»Führen Sie uns zu diesen Särgen«, sagte Lüthje.
Sie gingen durch mehrere verglaste Flure, die den Blick auf
gepflegten Rasen freigaben. Danach überquerten sie einen weiteren Parkplatz,
auf dem schwarze Fahrzeuge für den Leichentransport bereitstanden. Eine Art
Wintergarten bildete die eigentliche Fassade des Krematoriums. Am Gebäude
ragten fünf runde Metallschornsteine in den Himmel.
»Hier bitte«, sagte Pätzoldt und öffnete eine Doppeltür.
In dem Raum standen vier Särge auf Scherenwagen, die auf einer
Schmalseite ein beschriftetes Pappkärtchen trugen. Davor stand ein Schreibtisch
mit ein paar dünnen Aktenmappen. Obwohl eine Klimaanlage rauschte, roch es
säuerlich.
»Ich weiß immer noch nicht, was Sie eigentlich suchen«, sagte
Pätzoldt nervös.
»Ich glaube kaum, dass Sie wissen, wo es ist«, sagte Lüthje
geheimnisvoll.
Pätzoldt sah ihn irritiert an.
»Das sind also Aufträge der Firma Klockemann, die auf ihre
Erledigung warten«, sagte Lüthje.
»Sie warten auf die Kremierung, so sagt man es bei uns«, verbesserte
ihn Pätzoldt.
»Kremierung heißt Verbrennung. Richtig?«, fragte Hoyer.
Pätzoldt nickte. »Sie sollten heute kremiert werden.« Sein Ton wurde ungeduldig.
Lüthje betrachtete einen Sarg nach dem anderen und deutete
schließlich auf den ersten Sarg neben der Tür.
»Dieser Sarg ist am Dienstag also in die Leichenhalle eingeliefert
worden«, sagte Lüthje bestimmt.
Pätzoldt sah auf die Karte am Sarg. »Ja, das ist korrekt.«
»Woher wissen Sie das, Herr Lüthje?«, fragte Hoyer.
»Hier sitzen zwei Verschlussnägel zu hoch«, sagte Lüthje und zeigte
auf die Stelle. »Hier ist der dritte, der sitzt endlich richtig auf der Kante.
Wo können wir den Sarg öffnen?«
Pätzoldt sah einen Moment hilflos um sich und schob den Sarg durch
eine Klapptür. Im Raum stand ein blank polierter Metallschrank, der eine ganze
Wand einnahm und aussah wie eine überdimensionale Kaffeemaschine.
»Das ist das Urnenabfüllgerät«, erklärte Pätzoldt. »Hier sind Sie im
Moment völlig ungestört.« Er verschwand im Flur.
Lüthje sah Prebling fragend an.
»Kein Problem«, sagte Prebling. »Ich habe Werkzeug dabei.«
Sie ließen ihn allein und gingen in den Flur.
»Eric, woher wusstest du das mit den Klammern?«, fragte Dr.
Brotmann.
»Ich
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