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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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das Land selbst bebaut. Er hatte ein ganzes Stück entfernt gelebt, nämlich in einer Villa am Strand. Der letzte der wackeren Farmer entpuppte sich also als reicher, abwesender Grundbesitzer, und der Verkauf des Farmlands an die Bauträger bedeutete nichts Erhabeneres als das Ende eines Familienstreits über die Erbschaft.
    Damit war meine neuartige Perspektive gestorben.
    Die fürs nächste Jahr geplante Einweihungsfeier, bei der das Band zerschnitten werden sollte, würde eine bessere Geschichte abgeben. Jetzt war ich lediglich zugegen, um mit anzusehen, wie ein paar Geschäftsleute und Politiker so taten, als würden sie eine Schaufel benutzen.
    Der Boden war schon bereitet worden: Das Gelände war
planiert, und an manchen Stellen wiesen Pflöcke darauf hin, wo der nächste Bauabschnitt beginnen sollte. Ich traf den Bauleiter, einen Mann namens Brian O’Malley, der mir, nachdem ich meinen Namen genannt hatte, sagte, dass er einen gewissen Patrick Kelly kenne.
    »So heißt mein Vater.«
    »Ist Ihr Vater auf die St. Francis High School gegangen?«
    »Ja. Sie auch?«
    »Ja. Sie sehen ihm sogar ein bisschen ähnlich. Wie geht es Patrick denn so?«
    »Gut«, log ich.
    Er schrieb seine Telefonnummer auf die Rückseite einer Visitenkarte. »Das ist meine Privatnummer. Sagen Sie doch Ihrem Vater, er soll mich mal anrufen.«
    »Mach ich.«
    Er verschaffte mir einen guten Platz für die Feierlichkeiten. Die Zeremonie verlief genau wie jede andere Grundsteinlegung. Reden, in denen versprochen wurde, dass der Bau des Einkaufszentrums der Gemeinde zu Wohlstand verhelfen würde. Männer in Anzügen, die seit Jahrzehnten nicht einmal mehr eine Pflanzkelle in der Hand gehalten hatten, posierten einer nach dem anderen mit der zeremoniellen »goldenen« Schaufel.
    Die Zeitung hatte es nicht für nötig gehalten, einen Fotografen mitzuschicken, und so musste ich die Bilder selbst machen. Ich tat mein Bestes, aber ich bezweifelte, dass mich irgendeiner der Abgelichteten um Abzüge bitten würde.
    Ich interviewte die Stadträte, den Bürgermeister, den Bauherrn und den Gebietsleiter einer Warenhauskette. Keiner von ihnen sagte irgendetwas Interessantes.
    Ich drückte mich noch dort herum, als die »Show« schon lange vorüber war - in erster Linie, wie ich mir selbst eingestand, um nicht zurück in die Redaktion zu müssen. Während ich herumtrödelte, fuhren die Honoratioren davon, und die
Bauarbeiter machten sich ans Werk. Da kam mir eine Idee, und ich sprach Mr. O’Malley noch einmal an.
    »Hätten Sie was dagegen, wenn ich mit einigen der echten ›Grundsteinleger‹ spreche?«, fragte ich.
    Er lachte. »Das wäre mal was ganz Neues.« Er musterte mich eine Weile, ehe er sagte: »Die Männer werden Sie erbarmungslos veralbern, und ihre Wortwahl ist eigentlich nichts für eine Lady, aber ich nehme an, als Reporterin werden Sie so was gewöhnt sein.«
    »Ich komme schon klar.«
    »Das glaube ich auch«, erwiderte er und stellte mir seine Crew vor.
    Sie wollten meinen Presseausweis sehen, um sich zu vergewissern, dass ich eine echte Reporterin war, und einer fragte mich, ob in Las Piernas neuerdings ein derartiger Mangel an Prominenten herrschte, dass jetzt schon Männer mit Baustellenhelmen herhalten mussten. Andere unterstellten mir sofort, dass ich in der Redaktion blau machte, und nahmen mich gutmütig auf die Schippe, indem sie sich erkundigten, ob ich denn nichts Besseres zu tun hätte, als sie zu belästigen, während sie mit ihrer Arbeit weiterkommen wollten. Als sie aber merkten, dass es mir ernst mit meiner Absicht war, über sie zu schreiben, begannen sie, mir mehr von ihrer Arbeit, von ihren Gerätschaften und, was am allerbesten war, von sich selbst zu erzählen.
    Ein Baggerführer zeigte mir gerade, wie akkurat er eine Schicht Erde abtragen konnte, als auf einmal ein kreischendes Geräusch ertönte, das so ähnlich klang wie eine vielfach verstärkte Version von Fingernägeln auf einer Tafel. Ich zog unwillkürlich die Schultern hoch.
    Wir drehten uns zum Ursprungsort des Geräusches um - einer riesigen Planierraupe, die ein paar Meter weiter Erde aushob. O’Malley rief dem Fahrer zu, er solle aufhören.
    Bis ich an der Stelle anlangte, war die Planierraupe von dem Erdloch weggefahren.

    »Da ist ein Auto drin«, erklärte O’Malley.
    »Ich dachte, das hier sei Farmland«, sagte ich und schoss ein Foto. »Hier war doch kein Autofriedhof, oder?«
    »Nein, aber bevor diese ganzen Umweltschutzgesetze erlassen worden

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