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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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leisten?«
    Adam zwinkerte und sagte: »Ich habe Ma bequatscht, dass
sie von dem Zaster vom Häuptling ein bisschen was rausrückt.«
    Mitch vermutete vom ersten Moment an, dass die Geschichte von der Großzügigkeit seiner Mutter ein Märchen war. Adam verließ spätabends das Haus und kehrte oft nicht rechtzeitig für die Schule zurück. Als er einmal im Morgengrauen mit einer neuen Decke für Mitchs Bett ankam, wusste Mitch, dass Adam sie gestohlen hatte.
    Schließlich gab Adam es zu, und auch, dass er Essen gestohlen hatte.
    »Sei nicht sauer auf mich, Kleiner«, sagte er. »Wir müssen doch überleben, oder?«
    Obwohl es ein paar brenzlige Situationen gab, schaffte es Adam, nicht gefasst zu werden. Trotzdem lebte Mitch in der ständigen Angst, dass Adam im Gefängnis landen würde. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte, wenn sein großer Bruder nicht mehr da wäre und ihm half.
    Im Lauf der nächsten drei Jahre veränderten Adams Fischzüge ihren Lebensstil. Und sie veränderten Adam. Mitch merkte, wie er abgebrühter wurde und selbstsicherer. Er war schon immer groß für sein Alter gewesen, und nun, mit sechzehn, sah er aus wie zwanzig. Mittlerweile führte er eine Bande von anderen Jungs an, eine Gruppe, der Mitch unbedingt beitreten wollte. »Wenn du ein bisschen älter bist«, versprach ihm Adam immer wieder. »Aber dann brauche ich jemanden mit Bildung, und wenn du jetzt schon die ganze Nacht mit mir und den Jungs unterwegs bist, stehst du morgens nicht auf und gehst in die Schule.«
    »Du bist doch klug«, wandte Mitch ein. »Und du gehst auch nicht in die Schule.«
    »Es gibt unterschiedliche Arten von Klugheit. Du bleibst in der Schule.«
    Ab und zu war ihre Mutter nüchtern genug, um sich darüber zu beschweren, dass sie kein Diebespack unter ihrem Dach
haben wolle. Adam, der inzwischen größer und stärker war als das Kind, das sie geschlagen hatte, machte nun keinen Hehl mehr aus seiner Verachtung für sie. Er erklärte ihr, dass er auch nicht mit einer versoffenen alten Hure zusammenwohnen wolle, aber sie müssten eben miteinander auskommen. Wenn sie nicht mit einem Dieb unter einem Dach leben wollte, sollte sie eben verflucht noch mal ausziehen.
    Eines Tages schien sie ihn beim Wort zu nehmen. Sie wies Mitch an, seine Sachen zu packen, weil sie sich eine andere Wohnung suchen würden. Er sah, dass sie bereits eine alte Reisetasche mit ihren eigenen Sachen gefüllt hatte.
    »Was ist mit Adam?«
    »Wir gehen weg von Adam.«
    »Ich gehe mit dir gar nirgends hin. Ich will bei Adam bleiben.«
    Sie ohrfeigte ihn. »Du gehst jetzt da rein und packst deine Sachen, sonst überrede ich dich auf eine Art, die dir nicht gefallen wird.«
    Zu ihrem Missfallen kam genau in diesem Moment Adam zur Tür herein. »Wozu willst du ihn überreden?«
    Mitch sagte es ihm.
    Adam blickte einen Moment lang wütend drein, ehe er erklärte: »Du brauchst was zu trinken, damit sich deine Nerven beruhigen.«
    Er schenkte ein Glas Whiskey ein, blieb daneben stehen und sah zu, wie sie es leerte. Dann schenkte er ein zweites ein. Als sie zögerte, schob er es ihr hin. Sie begann zu weinen, trank es aber.
    Als sie drei Gläser intus hatte, sagte Adam: »Mitch, du gehst in ihr Zimmer und packst ihre Tasche wieder aus. Ich gehe mit Ma spazieren und spreche alles noch mal mit ihr durch.«
    Als Mitch zwei Tage später von der Schule nach Hause kam und ein Polizist im Gespräch mit Adam auf der Veranda stand, war er überzeugt davon, dass seine schlimmsten Ängste wahr geworden waren. Hatte seine gekränkte Mutter ihren eigenen
Sohn an die Polizei verraten? Bei dem Gedanken wallte heftige Wut in ihm auf. Eine Wut, die es ihm gestattete, seine Angst zu überwinden und auf die beiden zuzugehen.
    Doch die Miene des Polizisten war bedrückt, und Mitch fiel auf, dass auch Adam sehr ernst dreinblickte.
    »Es ist wegen Ma«, sagte Adam. »Sie ist tot.«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Mitch, während er krampfhaft zu verbergen suchte, was er wirklich empfand, nämlich enorme Erleichterung.
    »Sie hat einen Unfall gehabt«, sagte der Polizist mit sanfter Stimme.
    »Sie ist von einer Straßenbahn überfahren worden«, erklärte Adam. »Sie ist gestolpert und direkt vor die Bahn gefallen. Der Fahrer konnte nichts machen.«
    »Warst du dabei?«, wollte Mitch wissen.
    »Nein«, erwiderte Adam und musterte ihn aufmerksam.
    Mitch vermutete, dass er ihm irgendetwas sagen wollte. Er versuchte, aus Adams Blick schlau zu werden, und fragte:

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