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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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deinem Freund dafür bedanken.«
    »Das täte ich ja, wenn ich wüsste, wer es war.«
    »Er fährt einen Nash. Hilft dir das weiter?«
    »Einen Nash? Einen Nash Rambler?«
    »Hab ich das nicht gerade gesagt?«
    »Danke, Mary. Jetzt weiß ich, wer es war.« Ich sagte ihr, wie mein Zeitplan an diesem Tag aussah. Wie üblich war sie einverstanden. Sie wollte unbedingt noch so viel Zeit wie möglich mit meinem Vater verbringen.
    Als ich auflegte, hätte ich am liebsten postwendend meinen Job gekündigt. Ich wollte nach Hause fahren, Patrick Kelly etwas vorlesen, mit ihm lachen und seinen Rasen mähen.
    Doch zuerst musste ich O’Connor finden.
    Mary war der Meinung, ich solle mich bei ihm bedanken.
    Ich hatte andere Absichten. Ich wollte ihm den Hals umdrehen.

35
    Zuerst versuchte ich es im Press Club. O’Connor war nicht da. Einige Männer aus der Redaktion kippten sich bereits kräftig einen hinter die Binde, und es kostete mich einige Mühe, die mir angebotenen Drinks abzulehnen, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Ausgerechnet Wildman kam mir zu Hilfe,
indem er die anderen verscheuchte und mich zur Tür begleitete. »Versuchen Sie’s doch mal im O’Grady’s«, riet er mir. »Und vergessen Sie nicht, Conn auszurichten, dass ich ein vollendeter Gentleman gewesen bin.« Letzteres klang zwar eher wie »Gennelmum«, doch ich versicherte ihm, ich würde die Nachricht übermitteln.
    O’Connor war auch nicht im O’Grady’s. Das Lokal war fast leer. Ich fragte den Barkeeper, ob er ihn gesehen habe, woraufhin er erwiderte, dass O’Connor die ganze Woche nicht da gewesen sei. Ich nahm meine Rolle Zehncentstücke, trottete zu dem Münztelefon vor der Herrentoilette und rief Helen an.
    Das Problem war nur, dass mir der Dampf komplett ausgegangen war, als ich sie erreichte. Auf ihre Frage, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei, erwiderte ich: »Nicht mit ihm. Aber ich habe anscheinend den Verstand verloren«, und schilderte ihr kurz den Verlauf des Nachmittags. »Und deshalb wollte ich ihn runterputzen, weil er hinter meinem Rücken meinen Vater besucht hat, aber - ich glaube, irgendwann habe ich langsam kapiert, was Mary mir hat sagen wollen.«
    »Dass Ihr Vater sich über den Besuch gefreut hat. Und dass es für sie eine Erleichterung war.«
    »Ja.«
    »Sie werden ihn teilen müssen, oder?«
    »Ja.« Ich holte tief Luft und versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie geht es Ihnen?«
    »Harter Tag. Aber es wird schon wieder.«
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Nein danke. Aber wissen Sie was? Wenn Conn wütend ist, geht er meistens auf den Holy Family Cemetery.«
    »Was?«
    »An Jacks Grab. Er fährt ab und zu raus und redet ein paar Worte mit ihm.«
    »Da will ich ihn aber nicht belästigen«, sagte ich. »Ich sehe ihn sicher später noch.«

    Ich war nicht weit weg von Griffin Baers Lieblingsfriseur, und so fuhr ich hin. Es war ein sauberer kleiner Laden, vor dem der traditionelle Barbier-Pfosten stand und sich mit einem Muster drehte, das die ersten psychedelischen Kunstwerke hätte inspiriert haben können. Ich betrat einen Raum mit weißem Linoleum, rotbraunen Ledersesseln, Chrom und Spiegeln. Ein dünner, grauhaariger Mann saß in einem der Sessel und las den Sportteil des Express , erhob sich aber rasch, als ich hereinkam. Er musterte mein schulterlanges Haar und sagte: »Guten Tag! Zwei Dollar, wenn ich Ihnen die gespaltenen Spitzen abschneide und alles ein bisschen gerade mache. Die Länge steht Ihnen gut, da brauchen wir gar nicht viel wegzuschneiden.«
    Normalerweise muss ich erst meinen ganzen Mut zusammennehmen, ehe ich jemanden mit einer Schere in der Hand an mich heranlasse, da ich einige schlechte Erfahrungen mit Friseuren gemacht habe, die ihre Impulse nicht unter Kontrolle hatten. Doch dieser alte Knabe schien mir nicht der Typ zu sein, den es nach Menschenversuchen gelüstete. »Einverstanden«, sagte ich und nahm auf einem der bequemen Sessel Platz. »Aber ich will ehrlich mit Ihnen sein - ich bin eigentlich gar nicht zum Haareschneiden gekommen.«
    »Vertreterin?«
    »Reporterin vom Las Piernas News Express.«
    »Ich habe schon ein Abonnement«, erwiderte er und zeigte auf die Ausgabe, die er gerade beiseite gelegt hatte. Auf der Seite mit den Wettspalten waren Pferdenamen umkringelt.
    »Nein«, erklärte ich. »Ich will die Zeitung nicht verkaufen. Ich bin Reporterin.«
    »Reporterin! Na so was …«
    Er legte mir einen Umhang um und schloss ihn am Hals, ehe er mir die Haare zu kämmen

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