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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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begann. Das hatte bei mir schon lange niemand mehr getan. Auf einmal hatte ich das Gefühl, jedes Haar auf meinem Kopf zu spüren. Es kitzelte beinahe, aber nicht ganz. Das Gefühl war gleichzeitig entspannend und
leicht anregend. Auch wenn es nichts Sexuelles war, hatte diese persönliche Fürsorge doch etwas Intimes an sich. Kein Wunder, dass die Leute Friseuren und Kosmetikerinnen alles anvertrauten.
    »Eine echte Brünette«, sagte er. »Färben Sie es bloß nie. Es ist herrlich.«
    »Danke, aber woher wissen Sie, dass das meine natürliche Haarfarbe ist?«
    »Können Sie Schreibmaschine schreiben?«
    »Besser als so manche Kongressmitarbeiter.«
    Er lachte. »Außerdem kennen Sie sich mit Nachrichten aus. Und ich kenne mich mit Haaren aus.«
    »Ich wollte Ihnen ein paar Fragen über Griffin Baer stellen.«
    Er hörte zu kämmen auf und fing dann wieder an. »Der alte Griff? Warum fragen Sie jetzt nach ihm? Der Mann ist schon eine ganze Weile tot.«
    Ich nickte zur Zeitung hin. »Haben Sie die Geschichte mit den Leichen in dem Auto gelesen?«
    »Zum Teil. Nicht beleidigt sein - ich bin einfach noch nicht dazu gekommen. Ich habe mich gerade erst über die Sportergebnisse schlau gemacht, als Sie reingekommen sind. Ich fange immer gern mit etwas Lustigem an, daher lese ich erst die Witzseiten, dann den Sport, dann den Kummerkasten, und danach komme ich langsam zu den Nachrichten. Aber ich lese die ganze Zeitung. Muss ich ja, in meiner Branche. Man weiß nie, worüber ein Kunde reden will.«
    »Griffin Baer war der Besitzer der Farm, auf der die Leichen gefunden worden sind.«
    »Verdammt. Und da habe ich die ganze Zeit gedacht, dass mir der alte Knabe nur Märchen erzählt und mir weismachen will, er hätte eine wilde Jugend gehabt. Als ich dann auf seine Beerdigung gegangen bin und alles so nett und normal war, war ich mir sicher, dass er alles nur erfunden hatte.«

    »Er hat Ihnen erzählt, dass er auf seiner Farm ein Auto vergraben hat?«
    »Oh nein, du lieber Gott, nein. Davon hat er nie was erwähnt. Aber sagen Sie mal: Die Leute in dem Auto - waren das Alkoholschmuggler?«
    »Was?«
    »Alkoholschmuggler. Schwarzhändler. Damit hat sich Griff doch das Haus am Meer verdient.«
    »Sie meinen, er hat in der Prohibitionszeit Alkohol nach Las Piernas geschmuggelt?«
    »Ja, genau. Er hat mir erzählt, sie hätten das Zeug in sein Haus am Meer gebracht, und er hat es dann rüber auf die alte Farm geschafft. Er hat eine richtige Organisation dafür gehabt, es dann von dort aus zu vertreiben.«
    »Seine Erben glauben, er hätte das Haus am Strand damit finanziert, dass er Schürfrechte auf der Farm verkauft hat.«
    »Griff hat immer gesagt - oh Mann, und da habe ich gedacht, er will sich nur großtun -, dass die Kerle ihn darauf angesprochen haben, ob er sie die Farm benutzen lässt. Ich schätze mal, es war ein großes Anwesen mit viel Grund und recht abgelegen. Weit weg von den nächsten Nachbarn. Dann haben sie es arrangiert, dass er das Haus am Meer für’nen Apfel und ein Ei kriegt, alles unter der Bedingung, dass sie es für ihre Schmuggelgeschäfte nutzen dürfen. Er hatte schließlich legitime Gründe dafür, zwischen dem Haus und der Farm hin- und herzufahren und so weiter, verstehen Sie?«
    »Warum haben sie ihm die Farm nicht einfach abgekauft?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht wollten sie ihre Namen nicht auf allzu vielen Unterlagen stehen sehen.« Er runzelte die Stirn. »Diese Geschichte mit den Schürfrechten - wissen Sie, wer die erstanden hat?«
    »Nein, aber das finde ich raus.«
    Er schüttelte den Kopf. »In meinen Laden kommen ja alle möglichen schrägen Vögel, und ich dachte mir einfach, dass
der alte Griff ein paar Spionageromane zu viel gelesen hat. Er hat sich immer ein bisschen paranoid aufgeführt. Zum Beispiel kam er oft an einem Werktagnachmittag, genau wie Sie jetzt. Solange noch jemand anders hier war, hat er kein Wort gesagt. Er hat mir erzählt, dass die Fahnder von der Regierung sein Farmhaus nie in Verdacht hatten, aber vermutlich hat er einen doppelten Boden in der Scheune und einen geheimen Keller gehabt. Sie können sich vorstellen, dass ich ihm nicht alles geglaubt habe.«
    Ich ließ mir all das durch den Kopf gehen, während er mir die Haare schnitt. Vielleicht war es ja wirklich nichts weiter gewesen als das Gerede eines paranoiden alten Mannes.
    »In welchem Jahr war die Prohibition zu Ende?«, fragte ich.
    Er hörte kurz mit dem Schneiden auf. »Hm, warten Sie mal. Irgendwann

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