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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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wieder auf genau die gleiche Weise wie die Stunden zuvor - mit Spekulationen darüber, wer Corrigan das angetan hatte und warum. Jack hatte sich in Schweigen darüber gehüllt, was er an diesem Abend vorhatte. Rückblickend fiel O’Connor auf, dass Corrigan heftiger als sonst gegen seine Gewohnheit protestiert hatte, ihn zu überwachen.
    »Warum in aller Welt habe ich nicht gewusst, dass du gerade an diesem Abend etwas Spezielles vorgehabt hast?«, murmelte er vor sich hin. »Schließlich haben wir uns ja nicht erst vorgestern kennen gelernt, oder?«

7
    O’Connor bekam seine erste bezahlte Arbeit 1936 im Alter von acht Jahren. In diesem Jahr begann er an der Ecke Broadway und Las Piernas Boulevard den Express zu verkaufen. Damals war die Morgenzeitung in Las Piernas die News und die Abendzeitung der Express . Obwohl die Zeitungen ein und demselben Verleger gehörten - Mr. Winston Wrigley - und im selben Gebäude gemacht wurden, standen die beiden Teams einander in einem erbitterten Konkurrenzkampf gegenüber, Zeitungsjungen eingeschlossen. Starreporterin der News war eine gewisse Helen Swan, während sich beim Express der junge Jack Corrigan einen Namen zu machen begann.
    Tag für Tag lief O’Connor von der Schule zum Zeitungsgebäude, ohne je in seiner Bewunderung dafür nachzulassen (»Prächtig wie ein Palast«, hatte er zu seiner Schwester Maureen gesagt). Er war sich seiner eigenen Wichtigkeit stets bewusst, während er da an der Ecke stand, die Schlagzeilen herausschrie und die Worte »Der neue Ex-press!« in einer Weise intonierte, dass sie das Gehör der vorbeieilenden Geschäftsleute und Einkaufenden fanden. Rasch fand er heraus, wie er sich bei seinen Kunden beliebt machen, wie er dafür sorgen konnte, dass sie ihre Zeitung bei ihm kauften und bei keinem anderen. Er rührte die Werbetrommel für den Starreporter seines Blatts, indem er lächelte und in Singsangton verkündete: »Jack Corrigan! Jack Corrigan! Exklusiv im Exxxx-press.«
    Eines Tages lobte er gerade wieder lauthals Corrigans Arbeit, da hörte er eine Frau lachen. Als er sich umwandte, stand eine schöne junge Dame vor ihm - blond, blauäugig und mit vollen Lippen, bekleidet mit einem Pelzmantel und Arm in Arm mit keinem Geringeren als seinem Idol. Sie lachte erneut und sagte: »Bestimmt wärst du beleidigt, wenn ich ihm jetzt keine abkaufe, Jack.«

    Jack zwinkerte O’Connor zu und erwiderte: »Nein, Lil, ich bin erst beleidigt, wenn du ihm kein Trinkgeld gibst.« Und so hatte sie ihm für eine Zeitung, die fünf Cent kostete, einen Silberdollar gegeben, und als sie weder das Wechselgeld noch zwanzig Exemplare haben wollte, war er so baff gewesen, dass er eine Zeit lang nur dastand und die Münze anstarrte.
    »Wie heißt du denn, Kleiner?«, fragte Corrigan.
    »O’Connor, Sir.«
    »Hmm. Hast du auch einen Vornamen?«
    O’Connor spürte, wie seine Wangen rot anliefen. »Connor.«
    »Connor O’Connor? Das ist aber ein bisschen redundant, oder nicht?«, sagte die Frau und lachte erneut.
    Doch da löste Corrigan seinen Arm von ihrem und bückte sich, bis er auf Augenhöhe mit dem Jungen war. »Nein, ist es nicht. Es ist ein Name, der auf einen König zurückgeht. Kennst du seine Geschichte?«
    »Conn von den hundert Schlachten«, antwortete O’Connor.
    Corrigan lächelte. »Also, Conn von den hundert Schlachten, was ist denn die beste Straßenecke in ganz Las Piernas?«
    »Zum Verkaufen der Abendzeitung? Ecke Broadway und Magnolia.«
    Corrigan spähte die Straße hinunter. »Ah ja. Die Südwestecke vermutlich. Ein Gerichtsgebäude, Bürohäuser, zwei beliebte Restaurants und eine Bushaltestelle.«
    »Ja, Sir.«
    »Jack …«, sagte die Frau ungeduldig.
    »Gleich, Schätzchen. Das ist ein Kollege. Wir führen ein Fachgespräch. Außerdem würde mein Vater aus dem Grab auferstehen und bei mir spuken, wenn ich einem seiner Landsleute keinen Respekt erweisen würde.« Er erhob sich und tippte sich gegen den Hut. »Danke für die Unterhaltung, Mr. O’Connor«, sagte er und warf dem Jungen ein Fünfcentstück zu.
    »Ich habe die Zeitung doch schon bezahlt!«, wandte die Frau ein.

    »Nein, meine Liebe«, widersprach Corrigan. »Die Zeitung habe ich bezahlt, du hast ihm ein Trinkgeld gegeben, stimmt’s? Einen Dollar. Du bist der Inbegriff der Großzügigkeit.«
    »Und du bist der Inbegriff des Dummschwätzers«, gab sie zurück. Er musste lachen, und sie gingen weiter.
    Zu Hause erklärte ihm Maureen an diesem Abend, dass »redundant« genau

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