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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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machte er sich ernsthaft über das Essen her. Der Junge hatte alles verputzt, ehe Corrigan seine Portion auch nur zur Hälfte geschafft hatte, und so drückte ihm Corrigan eine Speisekarte in die Hand und sagte, er solle sich einen Nachtisch aussuchen.
    »Apfelkuchen«, sagte O’Connor, allerdings ohne den Blick von der Karte zu heben.
    »Sicher?«, fragte Jack nach.
    O’Connor nickte. »Das ist amerikanisch. Wie ich.«
    »Bist du kein Ire?«
    »Doch, schon, aber ich bin ein irischer Amerikaner. Ich und Maureen …« Er hörte im Geiste, wie sie ihn korrigierte. »Ich meine, Maureen und ich, wir sind hier geboren. Die anderen sind richtige Iren. Meine Eltern auch.«
    »Hast du noch mehr Brüder und Schwestern?«
    »Ja, Sir. Wir sind sieben, aber nur drei wohnen noch zu Hause. Die anderen vier sind alle alt und verheiratet. Ich glaube, sie sind sogar schon so alt wie Sie.«
    Corrigan lachte.
    O’Connor vertiefte sich wieder in die Speisekarte. Zwangsläufig stach ihm ins Auge, dass das Hühnchen vierzig Cent
kostete, und er hoffte, dass Mr. Corrigan genug Geld in der Tasche hatte. Doch dann fiel ihm ein, dass er ja seinen Silberdollar dabeihatte, und ihm wurde leichter ums Herz. Es war zwar ein Glücksbringer, aber wenn Jack Corrigan ihn brauchte, um das Essen zu bezahlen, würde O’Connor ihn ausgeben.
    »Anders überlegt?«
    »Nein, Sir«, erwiderte er und steckte die Karte wieder in ihren Halter. »Ich lese nur gern.«
    »Eine lobenswerte Eigenschaft, Junge.«
    Erst als der Kuchen verputzt war, sagte Jack: »Ich habe nicht vergessen, dass du mich wegen einer höchst wichtigen Angelegenheit sprechen wolltest.« Mit verschwörerischer Miene sah er sich in dem leeren Lokal um. »Ist es auch ungefährlich, hier darüber zu sprechen?«
    »Ja, Sir. Ich glaube schon. Es geht um den Mitch-Yeager-Prozess. Der, über den Sie aus dem Gerichtsgebäude berichtet haben.«
    »Hmm«, sagte Jack und steckte sich eine neue Zigarette an. »Mitch Yeager könnte sich womöglich rauswinden. Sein älterer Bruder Adam sitzt eine verschärfte Strafe ab, aber Mitch hat seine Schnapsschmuggeleien mit einigen der großen Namen hier in der Stadt betrieben - noch nicht alt genug, um das Zeug zu trinken, hat er schon Alkohol verschoben. Jetzt, wo das Schnapsschmuggeln aus der Mode gekommen ist, hat der junge Mitch andere Beschäftigungen für sich entdeckt, die allerdings genauso illegal sind. Auch wenn er Gott und der Welt erzählt, er sei nur ein Geschäftsmann, der vom Express schikaniert wird.«
    »Ich weiß. Ich habe Ihre Artikel gelesen.«
    »Tatsächlich? Mit zehn Jahren?«
    »Nein, Sir. Ich bin acht.«
    »Acht.« Er ließ diese Tatsache eine Weile auf sich wirken, ehe er sagte: »Ich dachte, wir stellen keine Zeitungsjungen unter zehn ein.«

    O’Connor rutschte auf dem Sitz hin und her und erwiderte: »Ich bin groß für mein Alter, also habe ich geschwindelt, damit ich den Job kriege. Ich werde bald neun. Verpetzen Sie mich jetzt?«
    Jack rieb sich das Kinn. »Nein. Sprich weiter.«
    »Na ja, ich wollte Yeager selbst sehen, und da habe ich Duffy gefragt, ob ich ihn mir mal vom Balkon aus angucken darf.«
    »Duffy?«
    »Das ist einer der Wachmänner im Gerichtsgebäude. Er kauft seine Zeitung immer bei mir.«
    »Das hätte ich mir denken können. Das mit dem Blaumachen lassen wir mal fürs Erste beiseite. Dieser Duffy hat also eingewilligt, dich einen echten, lebendigen Gangster vor Gericht ›angucken‹ zu lassen?«
    »Ja, Sir. Nur dass ich Yeager gar nicht so gut sehen konnte. Aber Sie habe ich gesehen - oder zumindest Ihren Hinterkopf.«
    »Woher willst du denn wissen, dass es mein Hinterkopf war?«
    O’Connor errötete wieder. »Ich habe die Dame mit dem Pelzmantel neben Ihnen sitzen sehen.«
    »Ah ja, deine Sponsorin.« Auf O’Connors stutzigen Blick sagte Corrigan: »Die Dame, die dir das dicke Trinkgeld gegeben hat.«
    »Ja, Sir. Und wie hieß dieses andere Wort, bitte?«
    »Sponsorin.« Corrigan wartete, während der Junge das Wort mehrmals vor sich hin sagte, ehe er nachhakte: »Und weiter?«
    »Oh. Na ja, vor allem habe ich die Geschworenen gesehen. Die hatte ich alle im Blick. Da war eine Dame dabei, die die ganze Zeit zum Balkon raufgeschaut hat, und mir ist es so vorgekommen, als würde sie irgendwas sehr nervös machen.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Sie hat an ihrem Taschentuch gedreht. Nicht die ganze
Zeit, aber immer dann, wenn sie vorher zum Balkon hochgesehen hat.«
    Corrigan wandte den Blick ab und stieß

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