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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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ist wahnsinnig wütend auf mich.«
    »Da muss man aber taktvoll vorgehen«, sagte Lefebvre.
    »Jetzt sind Sie wohl geliefert, was?«, erwiderte Irene, und er musste lachen.
    »Ich möchte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen«, sagte Max, »aber …«
    »Mr. Ducane«, unterbrach Lefebvre den jungen Mann und steckte die Fotos wieder in den Umschlag, »ein Detective der Mordkommission, der mit dem Coroner auf Kriegsfuß steht, kann seinen Beruf gleich an den Nagel hängen. Lassen Sie mir einen Tag, um mir zu überlegen, wie ich Dr. Woolseys Abwehrmechanismen umschiffen kann. Wenn es mir misslingt, sage ich Ihnen Bescheid.«
    »Die Fotos vom Fundort«, sagte Irene.
    »Was ist mit denen?«
    »Ich habe Ihren Fotografen arbeiten sehen. Er hat Bilder von allem gemacht - vom gesamten Ablauf. Wenn wir hier auf der richtigen Spur sind, dann hat er wahrscheinlich ein Bild von irgendeinem Knochen, der eindeutig zuzuordnen ist. Ein Mops muss doch … ach, zum Beispiel einen Kieferknochen haben oder eine Nasenhöhle oder irgendwelche anderen Knochen oder Zähne, die sich von der Form her gravierend von denen eines Babys unterscheiden, oder?«
    »Schon, aber …«
    Sie hielt ihre Kamera in die Höhe. »Sagen Sie ihm, dass dieses naseweise Frauenzimmer vom Express schon bevor die Polizei dazu gekommen ist, den Fundort abzuriegeln, einen Haufen Bilder vom Inhalt des Kofferraums geschossen und heute angefangen hat, Ihnen Fragen über Hundeknochen zu stellen.«
    »Irene …«, sagte O’Connor warnend.

    »Das ist doch nichts Neues, O’Connor. Das ist die Wahrheit. Ich habe eine ganze Menge Fotos gemacht. Ich habe Fragen über Hundeknochen gestellt. Und ich habe über einen Mörder nachgedacht, der ein kleines Kind leben lässt, nur um es später in einem Autokofferraum umzubringen. Weiter nichts.«
    »Wissen Sie was, O’Connor?«, sagte Lefebvre und legte sich eine Hand auf die Brust. »Ich spüre hier irgendwas. Was ist das wohl?« Er täuschte angestrengte Konzentration vor.
    »Bei einem Menschen wäre es das Herz. Bei einem Esel Verdauungsstörungen. Aber was spüren Sie?«
    »Oh, jetzt weiß ich es. Mitgefühl mit Ihnen.«

39
    Als wir das Haus der Ducanes verließen, folgte mir O’Connor erneut nach Hause, obwohl es gar nicht so spät war - erst neun Uhr. Die Lichter brannten, also waren Mary und mein Vater wohl noch auf. Ich bot O’Connor an, mit reinzukommen, doch er lehnte ab. Ich fühlte mich gut, weil ich ihn gefragt hatte.
    Drinnen angelangt, war ich allerdings froh, dass er abgelehnt hatte, nicht, weil es meinem Vater schlecht gegangen wäre, sondern weil er und Mary lachten. In jüngster Zeit hatte mein Vater nicht besonders oft gelacht.
    »Freut mich, dass es bei euch so lustig zugeht«, sagte ich.
    »Ich musste an den Camping-Ausflug denken.«
    Wir waren oft zusammen zelten gegangen, aber »der Camping-Ausflug« bezog sich immer auf ein spezielles Abenteuer im Joshua-Tree-Nationalpark. Bei diesem Ausflug war ich etwa zehn und Barbara vierzehn gewesen. Barbara und ich hatten einen schlimmen Kicheranfall bekommen und meine Eltern damit angesteckt. Nach drei Warnungen durch den Ranger wurde unsere ganze Familie wegen zu lauten Lachens nach der Sperrstunde des Campingplatzes verwiesen. Als wir
ins Auto stiegen, fragte der Ranger in flehentlichem Tonfall: »Was war denn nun eigentlich so verflixt lustig?«
    Da verloren wir erneut die Beherrschung. Ja, einige Zeit danach musste man nur »Joshua Tree« sagen, und wir prusteten los.
    Offen gestanden habe ich nicht die leiseste Erinnerung daran, worin der ursprüngliche Witz bestanden hatte, oder ob es überhaupt einen gegeben hatte. Falls es einen gegeben hatte und ich ihn wieder hörte, würde er mich vermutlich nicht mal übermäßig amüsieren. Das Lachen selbst war auch gar nicht das Entscheidende gewesen. Entscheidend war vielmehr, dass uns allen von diesem Moment an für immer in Erinnerung bleiben würde, wie eng unsere Familie bei dieser Gelegenheit verbunden gewesen war, einem unvergesslichen Erlebnis, das aus dem Nichts entstanden war.
    Nun sah mein Vater mich an und nahm meine Hand. »Ruf Barbara an«, bat er.
    »Jetzt?«
    »Oder morgen. Verabrede dich zum Mittagessen mit ihr. Nur ihr zwei. Sprich nicht von mir. Bitte sie nicht darum, herzukommen.«
    Wenn er nicht zuvor Joshua Tree erwähnt hätte, hätte ich wahrscheinlich Ausflüchte gemacht. Aber ich wusste, woran er dachte und was er von mir wollte, und so willigte ich ein.
    Ich rief Barbara sofort an und

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