Totenruhe
müssen Sie ihn selbst fragen. Haben Sie ihn schon gefunden? Außerdem, wenn Sie Ihrem Feind wirklich wehtun wollen, bringen Sie ihn nicht einfach um. Das geht schnell. Er leidet kein bisschen. Wenn Sie wollen, dass Ihr Feind leidet, bringen Sie die Menschen um, die er liebt, und verstecken die Leichen - dann muss er sich die ganze Zeit mit der Frage quälen, ob sie noch leben oder tot sind. Nichts ist schlimmer als das.«
O’Connor war überzeugt davon, dass das »Yeager’sche Glaubensbekenntnis« aus direkten Zitaten ihres Onkels Mitch bestand. Obwohl ich daran keinerlei Zweifel hegte, gab es ebenso wenig eine Möglichkeit, das zu beweisen, wie man beweisen konnte, dass Eric und Ian irgendetwas mit dem Verschwinden
von Max Ducane, dem Überfall auf Jack oder auch nur dem Tod von Gus Ronden zu tun hatten.
Mitch Yeager hatte der Verhandlung beigewohnt und öffentlich die Rolle des schockierten und betrübten Onkels gespielt, der nicht fassen konnte, dass seine »Jungs« so schreckliche Dinge trieben.
Der zuständige Staatsanwalt war nicht so gewieft wie seine Gegner. Er erklärte Lefebvre und Arden, dass ihm das Alter der Fälle, der Mangel an Zeugen und die wenigen handfesten Beweismittel, die Eric und Ian mit den Morden in Verbindung brachten, Sorgen bereitete. Unter dem Druck der Öffentlichkeit musste er in allen Fällen Anklage erheben, strebte jedoch die Todesstrafe an, die erst ein Jahr zuvor in Kalifornien wieder eingeführt worden war.
Lefebvre sagte mir später, dass der Staatsanwalt seiner Meinung nach die Geschworenen nicht sorgfältig genug ausgewählt habe. Befragungen nach der Verhandlung ergaben, dass die Möglichkeit der Todesstrafe den zögerlichsten Geschworenen allzu sehr belastet hatte. Nach fünftägiger Bedenkzeit teilten die Geschworenen dem Richter mit, dass sie in eine hoffnungslose Sackgasse geraten seien, und der Richter erklärte das Verfahren für gescheitert.
Eric und Ian kamen nicht frei - da war ja immer noch das kleine Problem der Hauseinweihungsfeier, die sie für Max und mich gegeben hatten. Anstatt einen zweiten Mordprozess anzustrengen, stellte sie der Staatsanwalt wegen tätlichen Angriffs und Entführung vor Gericht, also nicht einmal wegen versuchten Mordes, was anfechtbar war.
Doch es lohnte sich, dass er auf Nummer Sicher gegangen war, und so gewann der Staatsanwalt diesen Prozess. Es war mir eine Erleichterung, als ich erfuhr, dass die Yeager-Brüder nicht auf freien Fuß kommen würden, aber es erschien mir nicht richtig, dass sie ins Gefängnis mussten, weil sie Max und mich niedergeschlagen und für ein paar Stunden in einen Tunnel
gesperrt hatten, aber nicht, weil sie vier - oder mehr - Menschen das Leben genommen hatten.
In den Monaten vor der Verhandlung begriffen Max und ich, dass es der Ruin einer wunderbaren Freundschaft wäre, wenn wir etwas miteinander anfingen. Mittlerweile bedeutete unsere Freundschaft uns zu viel, um dieses Risiko einzugehen. Er erholte sich von seinen Verletzungen und fuhr wieder nach New Hampshire, um an der Tuck seinen MBA zu machen. Doch er kehrte oft nach Las Piernas zurück. Er engagierte ein paar Studienkollegen vom Dartmouth College, die ihm helfen sollten, eine Firma zu gründen, in der Anwendungen der GPS-Technologie entwickelt werden würden, und legte den Firmensitz nach Las Piernas, wo er nach seinem Studienabschluss leben wollte.
An dem Tag, als die Urteile gesprochen wurden, eiste er sich schon bald los, um wieder in den Osten zu fliegen, während wir noch den Prozessausgang begossen. Ehe er ging, umarmte er mich und sagte: »Schreib mir. Ruf mich per R-Gespräch an. Und hör nicht auf, Drachen zu töten.«
Lefebvre gab unserer Feier etwa eine Stunde lang die Ehre. Er merkte als Erster, dass ich keinen Alkohol trank. »Müssen Sie noch fahren?«, fragte er, als er sich unbelauscht wähnte.
Ich warf einen Blick zu O’Connor hinüber, der seelenruhig einen Scotch nach dem anderen kippte. »Das wäre vermutlich das Beste.«
»Sie haben sich also zusammengerauft, wie ich sehe.«
»Wir haben nach wie vor unsere Meinungsverschiedenheiten«, erwiderte ich. Lefebvre musste lächeln. »Aber es gefällt mir, mit ihm zusammen an einer Geschichte zu arbeiten. Es ist schwer zu beschreiben, aber da entsteht eine Art von Energie, die ich nicht immer spüre, wenn ich alleine arbeite.« Ich zuckte die Achseln. »Das klingt jetzt kitschig, aber ich mag ihn, weil er sich so anstrengt, das Richtige zu tun.«
»Kitschig?
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