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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Wunde verursacht hatte.
    »Wir standen uns so nahe«, sagte er ruhig. »Sie fehlt mir bis zum heutigen Tag.«
    Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen oder tun können, um ihn zu trösten. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, und obwohl das in späteren Jahren ein ganz normaler Bestandteil unserer Freundschaft werden sollte, waren wir in dem Moment noch nicht so weit. Schließlich sagte ich: »Du hast mir doch erzählt, was sie von deiner Arbeit gehalten hat - wie stolz sie auf dich war. Ich glaube, sie wäre immer noch stolz.«
    »Meinst du? Ich weiß nicht.«
    »Ich bin überzeugt davon.«
    Er lächelte matt. »Es ist schon spät, Kelly. Rufst du mich noch an, damit ich weiß, dass du’s heil nach Hause geschafft hast? Und mach dir keine Sorgen, dass du mich weckst.«

    Ich rief ihn an, sowie ich zu Hause war, und musste an den Abend denken, als er mich am Fuß der Felsen gesucht hatte, und an sein heutiges Geständnis, dass er Angst um mich gehabt hatte. Ich schwor mir, dass ich mich, falls er mich je wieder nach Hause begleiten wollte oder mich bat, ihn anzurufen, sobald ich nach Hause gekommen war, nie wieder dagegen wehren oder ihm seinen Wunsch abschlagen würde. Diese Bitten, das begriff ich jetzt, hatten nichts mit anmaßendem Beschützergebaren zu tun. Seine Ängste entsprangen einem entsetzlichen Verlust, der ihn zeit seines Lebens geplagt hatte.
     
    Am nächsten Tag in der Arbeit musste ich daran denken, wie betrunken er gewesen war, und ich fragte mich, ob er wohl noch wusste, dass er mir von seiner Schwester erzählt hatte. Er nahm mich beiseite und sagte: »Ich weiß, du hast dir meine traurige Geschichte mit einem mitfühlenden Herzen angehört, Irene, also bereue ich auch nicht, dass ich sie dir erzählt habe. Aber ich habe nicht das Recht, die Erinnerung an meine Schwester in dieser Weise zu benutzen. Ich wäre dir dankbar, wenn wir nicht wieder davon sprechen würden.«
    Das taten wir auch nicht, jedenfalls nicht direkt. Doch wir sprachen auf tausend andere Arten davon.
     
    Keiner von uns beiden hat Maureen O’Connor je vergessen.

DRITTER TEIL
    Lex Talionis
    Ob ich das Gesetz anrief - ich?
Löscht es dem Armen den Durst,
wenn der König für ihn trinkt?
MARK TWAIN, Leben auf dem Mississippi
     
     
    Februar 2000

51
    Als die Hunde zu bellen begannen, stand Frank noch unter der Dusche, während ich mich im Schlafzimmer anzog. Ich hatte die Strumpfhose gerade bis auf Kniehöhe gebracht, da klingelte es. Ich sah auf die Uhr. Halb acht an einem Mittwochmorgen. Wer zum Teufel stand zu dieser Stunde vor meiner Tür?
    Hastig zerrte ich die Strumpfhose bis ganz nach oben, riss mir beim hektischen Schuheanziehen eine breite Laufmasche hinein, fluchte und ging aufmachen. Zu meiner großen Überraschung stand Kenny O’Connor draußen.
    Kenny war nicht mehr derselbe, der damals in das Lokal spaziert war. Er und Barbara hatten geheiratet und sich wieder scheiden lassen und diskutierten momentan ernsthaft über eine zweite Eheschließung.
    Im Lauf dieser gut zwanzig Jahre hatten wir uns alle in gewissem Maße verändert, aber Kenny war erst in jüngster Zeit erwachsen geworden. Er hatte einen brutalen Schlag mit einem Baseballschläger versetzt bekommen, der es zweifelhaft hatte erscheinen lassen, ob er überleben würde und ob er, falls er überlebte, jemals wieder laufen, deutlich sprechen oder klar sehen können würde. Die letzteren beiden Probleme lösten sich ziemlich rasch. Nach jahrelangem Reha-Training konnte er nun mithilfe eines Stocks auch wieder gehen, und obwohl sein Gesicht vielleicht nicht mehr so attraktiv war wie zuvor, glaubte nun jeder, der ihn direkt nach den Schlägen gesehen hatte, an die Wunder der plastischen Chirurgie und der Zahnprothetik.
    Er arbeitete immer noch in der Baubranche, war aber gezwungen
gewesen, seine Firma zu verkaufen, um die Arztrechnungen bezahlen zu können. Jetzt war er als Bauleiter in O’Briens Firma angestellt. Für O’Brien zu arbeiten hatte ihm gut getan - in vielerlei Hinsicht war es ihm sogar besser bekommen als die Selbstständigkeit. Mittlerweile hielt Kenny weder seinen Job noch sonst irgendetwas für selbstverständlich.
    »Hi, Irene. Kann ich kurz reinkommen?«
    »Sicher. Schön, dich zu sehen. Ich wollte gerade Frühstück machen. Hast du schon gefrühstückt?«
    »Ja. Aber lass dich nicht aufhalten.«
    Ich winkte ihn herein. »Komm und erzähl mir, was du willst. Ich richte derweil das Frühstück her.«
    »Ist dein Mann da?«
    »Ja, er duscht

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