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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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Vielleicht auch nicht. Ich habe einige der Artikel gelesen, die Sie gemeinsam verfasst haben, und glaube, es ist eine gute Partnerschaft. Apropos Partnerschaft - ich habe gehört, dass Sie schon bald durch Heirat miteinander verschwägert sein werden.«
    Ich seufzte. »So lange es hält. Ja, meine Schwester Barbara und sein Sohn Kenny wollen heiraten. Das einzig Positive daran ist, dass Kenny bei O’Connor ausgezogen ist und sich ein eigenes Haus gekauft hat.«
    »Sie setzen keine großen Hoffnungen in die Zukunft der beiden?«
    »Ich weiß, ich sollte nicht so negativ sein«, räumte ich ein. »Bestimmt bleiben sie bis in alle Ewigkeit zusammen. Kenny braucht ständige Aufmerksamkeit und Zuwendung. Und meine Schwester gewährt beides nur allzu gern - jedenfalls einem gesunden Mann wie ihm.«
    Daraufhin musterte er mich eingehend, und ich hoffte nur, dass er jetzt nicht nachfragte, was ich damit meinte. Wahrscheinlich wusste er über meinen Vater Bescheid, doch er wechselte das Thema.
    »Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass mehr von diesen alten Fragen aufgeklärt werden«, sagte er, »aber ich bin schon lange genug bei der Polizei, um erleichtert darüber zu sein, dass Ian und Eric Yeager jetzt wenigstens einmal wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt worden sind. Wenn sie mit ihren Berufungsanträgen scheitern, atme ich auf.«
    »Das kann ich nachfühlen. Ich wünschte nur, Betty Bradford hätte mich noch einmal angerufen.«
    »Vielleicht tut sie es ja irgendwann.«
    »Sie hat sich eine hohe Belohnung entgehen lassen, und falls die Person, die ihr Boss war, heute verurteilt worden ist, hätte sie sich eigentlich melden müssen.«
    Er schüttelte den Kopf, verkniff sich aber jeglichen Kommentar. Wir wussten beide, dass uns der dicke Fisch durch die
Lappen gegangen war. Und keiner von uns hegte auch nur die geringste Hoffnung, ihn zu erwischen.
     
    Als die Sperrstunde nahte, saßen nur noch O’Connor und ich in der Kneipe. O’Connor war schwer angesäuselt. Trotzdem marschierte er ziemlich geraden Schrittes zu meinem Wagen und stieg ohne allzu große Schwierigkeiten ein.
    Ich fuhr ihn nach Hause. Da war er bereits ein bisschen nüchterner geworden und bat mich auf einen Kaffee hinein. Mittlerweile war ich oft bei ihm zu Hause gewesen und er bei mir, doch das war etwas, was er noch nie getan hatte. Ich nahm die Einladung an, doch angesichts seiner Tapsigkeit setzte ich ihn an den Küchentisch und machte den Kaffee selbst. Man soll Betrunkene nie frei in einer Küche herumlaufen lassen. Zu viele scharfe Gerätschaften, und für die einfachsten Verrichtungen brauchen sie eine Ewigkeit.
    Ich kochte einen Kaffee, der dick war wie Motorenöl. Er trank drei Tassen davon. Ich merkte ihm an, wie er langsam wieder klar wurde, und fragte ihn: »Was ist los, O’Connor?«
    »Was soll los sein?«
    »Was nagt an dir?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich musste an das Glaubensbekenntnis von Ian und Eric denken und habe mich gefragt, ob ich womöglich schon zu Mitch Yeagers Feind geworden bin, bevor ich achtzehn war.«
    »Als du noch Redaktionsbote warst?«
    »Vielleicht sogar noch früher.«
    »Was soll das heißen?«
    Er gab mir keine Antwort. Ich schenkte ihm noch eine Tasse Kaffee ein.
    »Ich musste heute Abend an Maureen denken, weiter nichts«, sagte er. »Ich denke jeden Tag an sie, aber manchmal … wie an dem Abend, als du in diesem Tunnel warst … Mein Gott, ich war außer mir vor Angst.«

    »Wer ist Maureen?«
    Es schien ihn zu wundern, dass ich nicht Bescheid wusste, und er senkte den Blick auf seinen Kaffee. »War … wer war Maureen.«
    Nach längerem Schweigen erzählte er mir die Geschichte von seiner vermissten Schwester und wie er sich selbst zerfleischt hatte, weil er sie an diesem Abend nicht abgeholt hatte. Er sprach von dem Schmerz, den seine Familie durchlitten hatte, und von den Jahren, in denen sie auf Maureens Rückkehr gewartet hatten. Davon, wie die Entdeckung ihrer Leiche zwar einerseits eine Art von Erleichterung darstellte, ihm aber doch nicht den Seelenfrieden brachte, den er sich erhofft hatte. Voller Bitterkeit sprach er davon, dass ihr Mörder nie gefasst worden war. Auch das schien er sich selbst anzulasten.
    Ich dachte an die vielen Male, die wir im Lauf der letzten Monate über nicht identifizierte Leichen und vermisste Personen gesprochen hatten. Kein einziges Mal hatte er dabei Maureen erwähnt. Ich begriff, dass nicht einmal Jacks Tod mit dem Schmerz zu vergleichen war, den diese

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