Totenruhe
in den Toaster.
»Kennst du dich eigentlich gut mit diesem DNA-Zeug aus, Frank?«, fragte Kenny. »Ich meine, als Detective bei der Mordkommission
weißt du natürlich Bescheid, aber … also, kann ich dir eine Frage darüber stellen?«
»Klar. Worum geht’s denn?«
»Der einzige noch lebende Bruder meines Vaters kommt in zwei Monaten aus Irland zu Besuch.«
»Dermot?«, fragte ich.
»Ja. Was ich wissen wollte, ist - ich habe gehört, dass man anhand der DNA die Vaterschaft feststellen kann, selbst wenn man keine Gewebeprobe von einem noch lebenden Elternteil hat.«
»Ja, das stimmt. Du brauchst nur einen Verwandten, der dieselbe Abstammung hat.«
»Also könnte ich mit einer Probe von Dermots Blut rausfinden, ob mein Dad wirklich mein Dad war?«
»Ja. Ihr müsstet beide eine Blutprobe abgeben, und die müsstest du dann von einem privaten Labor untersuchen lassen. Es kann ziemlich teuer werden - fünfzehnhundert Dollar oder mehr. Und es dauert vier bis fünf Wochen.«
»Oh. Na ja, das ist ja eigentlich logisch.«
»Möchtest du das wirklich machen?«
»Ich weiß nicht. Ich überlege es mir nur, weiter nichts.« Er schnupperte und sagte: »Ich glaube, dein Toast brennt an.«
Etwas später am selben Morgen saß ich in der Redaktion an O’Connors Schreibtisch. Es war jetzt mein Schreibtisch, zumindest in den Augen der jüngeren Redaktionsmitglieder, und ich nannte ihn auch meinen, allerdings mehr aus praktischen Gründen. Ich konnte ihn nie wirklich als meinen statt seinen betrachten, und ich weiß, dass die meisten Reporter, die O’Connor noch gekannt hatten, genauso empfanden - ich war Mieterin, keine Besitzerin. Es war einer der letzten altmodischen Schreibtische in der ganzen Redaktion, und ich habe mich erfolgreich gegen sämtliche Versuche zur Wehr gesetzt, ihn gegen ein Teil aus Plastik auf Metallrohren einzutauschen.
Der Verleger bekam von mir zu hören, dass ich kündigen würde, falls der Schreibtisch auch nur fünf Zentimeter von seinem Platz bewegt würde.
Winston Wrigley III., der Blödmann, der die Position von seinem verstorbenen Vater geerbt hat, weiß, dass das keine leere Drohung ist. Ich habe die Zeitung schon einmal in den späten Achtzigern verlassen, nachdem er es versäumt hatte, jemanden zu feuern, der eine Kollegin massiv sexuell belästigt hatte. Zwei Jahre lang habe ich nicht beim Express gearbeitet. Ich kam zurück, weil ich nur so herausfinden konnte, wer einen meiner engsten Freunde umgebracht hatte - meinen Mentor Conn O’Connor.
Die gleichen Leute, die für die Attacke auf Kenny verantwortlich waren, hatten auch den Mord an O’Connor auf dem Gewissen. O’Connor hatte sterben müssen, weil er beim Recherchieren für einen Artikel der Wahrheit zu nahe gekommen war. Ich verfolgte die Spuren weiter, die er mit so enormem Einsatz aufgedeckt hatte, und seine Mörder wurden zur Rechenschaft gezogen. Das machte den Verlust nicht leichter.
Der Ermittlungsbeamte, der den Fall bearbeitete, war Frank Harriman, ein Polizist, den ich aus Bakersfield kannte. Obwohl er 1985 nach Las Piernas gezogen war, kamen wir erst nach O’Connors Tod wieder miteinander in Kontakt. Zum Entsetzen aller, die mich bereits als ewigen Single abgeschrieben hatten, heirateten wir.
Ich bin Irin genug, um zu glauben, dass O’Connors Geist dabei die Hand im Spiel hatte.
Vielleicht weil ich den Schlüssel zu seinem Lagerabteil in der Hand hielt, hatte ich an diesem Morgen in der Redaktion das Gefühl, dass er mir über die Schulter spähte. Er fehlte mir immer noch schrecklich, und oft wünschte ich, ich könnte mich noch einmal mit ihm unterhalten und ihm sagen, dass er Recht gehabt hatte, dass mir die Zeitungsarbeit im Blut lag und dass
ich eigentlich immer zum Express hatte zurückkehren wollen - vor allem aber wollte ich wenigstens noch einmal seine Stimme, sein Lachen hören.
Ich sah mich um und fragte mich, ob er wohl heutzutage gerne hier arbeiten würde. Keine Spur von Zigarettenrauch, aber das hätte ihn wohl nicht gestört. Ein größeres Problem wäre gewesen, dass mittlerweile ein Latte Macchiato von Starbucks praktisch das stärkste Getränk war, das irgendjemand auf seinem Schreibtisch stehen hatte.
Nein, auch das wäre nicht das größte Problem. Das größte Problem wäre, dass jemand gekommen war und wie ein Vampir das Lebensblut aus der Redaktion gesaugt hatte, während wir alle darum rangen, bis zum Redaktionsschluss fertig zu werden.
Um mich herum hörte ich andere Reporter
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