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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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schönen, fast poetischen, aber ungenauen Art des Berichtens weitermachte, würde ich sie bald per Kurierdienst an Tom Wolfe expedieren, damit er mit den Geistern leben musste, die er gerufen hatte. Fast hätte ich es getan, bis sie mir erklärte, dass Wolfe ein alter Mann sei und zur Schule des alten Journalismus gehöre - sie würde zum superneuen Journalismus zählen, einer Revolution im World Wide Web. Ich konnte es kaum erwarten. Bis dahin versuchte ich ihr beizubringen,
dass die Kernaussage - die grundlegendste und umwälzendste Information in einem Artikel - keine Eichel ist, die man zwischen mehreren anderen Absätzen vergräbt.
    Ethan, der bei derselben College-Zeitung Leiter des Lokalressorts gewesen war, war der festen Überzeugung, für Höheres als den Express bestimmt zu sein. Wir anderen hatten nur noch nicht begriffen, dass wir Jesus in unserer Zimmermannswerkstatt hatten.
    Außerdem war er unser aufstrebender Redaktionspolitiker. Schamlos kroch er Wrigley in den Hintern und wurde zu dessen kleinem Liebling. Er hatte durchaus Talent, war aber kaum imstande, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, und ging bei einer Reportage oft den Weg des geringsten Widerstands. Meiner Meinung nach hatte er noch nicht zu einem eigenen Stil gefunden, denn seine Artikel waren völlig uneinheitlich. Wenn er sich auf seine Arbeit konzentriert hatte, erkannte ich darin einen Stil, der noch ein wenig Reifezeit brauchte, aber durchaus viel versprechend war. Zwei Tage später lieferte er dann Artikel bei mir ab, die so eindeutig eine Mischung verschiedener Stilarten waren, dass sie sich nicht gut lasen. Dann sagte ich ihm, dass er in diesen Fällen zwar im Prinzip gut recherchiert habe, aber sich lieber davor hüten solle, andere Autoren zu imitieren.
    Ethan wiegte sich in dem Glauben, er habe mir mit seinem Charme erfolgreich vorgegaukelt, dass er sich zu Herzen nahm, was ich ihm über seine Arbeit sagte. Vielleicht dachte er, ich könne nicht lesen - der Beweis dafür, dass er meine Ratschläge ignorierte, stand groß und breit in fast jedem Artikel, den er ablieferte. Lydia war hart zu ihm - Beiträge wurden abgelehnt oder von geübteren Händen neu geschrieben. Während Hailey damit Probleme haben würde, weil es ihr ein Graus war, wenn irgendjemand an ihren schönen Worten herumdokterte, schien Ethan in schon fast unheimlicher Weise darüber zu stehen. Er hatte nie etwas gegen eine Überarbeitung seiner Werke einzuwenden, denn dann steckte er schon
mitten in der nächsten großen Story. Wichtig war ihm allerdings, dass nur sein Name unter dem Artikel stand.
    Kein Problem. Die Namensnennung war keine Ehre mehr, die man sich verdienen musste. Jeder bekam sie. Meistens wurde sogar ein kleines Foto des Verfassers daneben abgedruckt. Lydia sagte, ihr sei es ganz recht, wenn die Leser wussten, wer den jeweiligen Artikel verbrochen hatte.
    Hailey spähte über ihren Monitor zu mir herüber und fragte: »Welche Behörde hat denn die Friedhöfe unter sich?«
    »Das ist nicht so leicht zu beantworten. Kalifornien hat ein Friedhofs- und Begräbnisamt, das zum Ministerium für Verbraucherangelegenheiten gehört. Die Bundesregierung unterhält die Veteranenfriedhöfe. Manche Friedhöfe gehören Religionsgemeinschaften, manche den Bezirken, und manche sind in privatem Familienbesitz.«
    »Und der Städtische Friedhof von Las Piernas?«
    »Der gehört der Stadt, und ob du’s nun glaubst oder nicht, er untersteht dem Amt für Parks und Freizeiteinrichtungen.«
    »Oh.«
    »Was hast du denn vor?«
    Wir hörten ein Lachen, und als wir uns umwandten, sahen wir Ethan im Gespräch mit Lydia, die er offenbar amüsierte. Hailey runzelte die Stirn. Vermutlich beneidete sie ihn um die Aufmerksamkeit, die er von der Leiterin des Lokalressorts bekam. Sie hatte sich einiges vorgenommen, wenn sie tatsächlich mit Ethans Charme konkurrieren wollte.
    »Du wolltest etwas über den Friedhof sagen?«, fragte ich.
    »Nichts Großartiges. Eine verrückte Sache - ich habe einen Freund, der behauptet, jemand habe sich am Grab seines Großvaters zu schaffen gemacht.«
    »Moderne Grabräuber?«
    »Ich glaube nicht, dass sie die Leiche mitgenommen haben. Sie haben nur das Grab in Unordnung gebracht. Allerdings glaubt mein Freund, jemand hätte den Sarg aufbrechen wollen,
um den antiken Ring zu stehlen, mit dem der alte Mann begraben worden ist. Ich wollte mal versuchen herauszufinden, ob irgendwas an der Sache dran ist, weiter nichts.«
    »Hast du Lydia schon

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