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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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gefragt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß noch nicht genau, ob ich wirklich darüber schreiben will. Außerdem hat mir Lydia ein paar andere Aufträge gegeben, an denen ich arbeiten soll. Und überhaupt gruselt mir bei der Geschichte.«
    »Vielleicht entbindet Lydia dich von einigen der anderen Dinge, mit denen du gerade beschäftigt bist.«
    »Vielleicht.«
    Ich hatte nicht vor, bei ihr Händchen zu halten, sondern machte mich wieder an meine eigene Arbeit.
    Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich mit der Berichterstattung über Lokalpolitik. Aufgrund meiner Ehe mit einem Detective der Mordkommission darf ich nicht über Kriminalfälle schreiben, aber in der Stadtverwaltung toben so viele Intrigen, dass mir die Arbeit nicht ausgeht. Ich las ein paar Notizen durch, die ich mir über aktuelle Angelegenheiten der Hafenbehörde gemacht hatte, merkte aber, wie ich permanent in Gedanken zu O’Connor abschweifte und mich fragte, was wohl in dem Lagerabteil stehen mochte. Ich war zwar neugierig, doch war mir ebenso bewusst, dass mir Kenny etwas aufgehalst hatte, das sich zweifellos als emotional aufwühlende Aufgabe erweisen würde.
    Aber vielleicht handelte es sich ja auch nur um einen Haufen Krempel, den man ohne Gewissensbisse wegwerfen konnte, und nichts Tiefgründigeres als Faulheit hatte Kenny daran gehindert, es selbst zu tun.
    Abgesehen davon, dass Kenny, seit er seine Verletzung erlitten hatte, überhaupt nicht mehr faul war.
     
    Ich verließ die Redaktion und verbrachte zwei Stunden im Rathaus mit dem Versuch, Antworten auf Fragen zu bekommen,
die ich bezüglich eines Vorschlags der Planungskommission hatte. Bei meiner Rückkehr fand ich Ethan erneut mit Lydia ins Gespräch vertieft. Kurz darauf verließ er eilig die Redaktion. So, dachte ich, hat er langsam kapiert, dass man schlecht über Nachrichten schreiben kann, wenn man das Haus nicht verlässt. Vielleicht ging er aber auch nur Mittag essen.
    Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass es schon fast zwölf war.
    Da fiel mir auf einmal ein, dass ich verabredet war, und ich hastete zu Lydias Schreibtisch. »Ich gehe heute mit Helen Swan und meiner Großtante Mittag essen. Möchtest du mitkommen?«
    »Würde ich gern«, erwiderte Lydia, »aber ich kann hier nicht weg. Sag ihnen schöne Grüße von mir.«
    »Ich komme vielleicht erst etwas später wieder«, erklärte ich und berichtete ihr von Kennys Besuch und dem Schlüssel für das Lagerabteil. »Ich habe mein Handy dabei, falls du mich erreichen musst.«
    Obwohl wie üblich drei Telefone vor ihrer Nase klingelten, vier Leute aus verschiedenen Richtungen des Redaktionsraums auf ihren Schreibtisch zusteuerten und mehr E-Mails der höchsten Dringlichkeitsstufe auf sie warteten, als ich es mir in meinen schlimmsten Träumen ausmalte, antwortete sie: »Brauchst du dabei Begleitung?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das schaffe ich schon. Wenn es … wenn es mir zu nahe geht, sperre ich ab und gehe noch mal hin, sobald ich die Kraft dazu habe.«
     
    Wenn ich doch nur jeden Tag mit Helen und meiner Großtante Mary zu Mittag essen könnte. Bei jeder Begegnung mit den beiden werde ich daran erinnert, wie stark und schlau und intelligent und eigensinnig sie sind und wie sehr ich hoffe, eines Tages so zu werden wie sie. Wenn ich nur halb so viel Energie
habe, wenn und falls ich es bis über achtzig schaffe, kann ich mich glücklich schätzen.
    Es war die ideale Methode, um mich auf meinen Gang zum Lagerhaus vorzubereiten. Helen war im Lauf der Jahre ein bisschen schwerhörig geworden und setzte sich freiwillig nicht mehr ans Steuer, aber sonst ging es ihr gut. Mary war zu einer ihrer engsten Freundinnen geworden. Nach wie vor fuhr sie ihren roten Mustang und genoss es offensichtlich, Helen herumzukutschieren. Mary hatte ihren scharfen Verstand und ihre gute Gesundheit behalten und war für mich ein Anker in stürmischen Zeiten geblieben.
    Ich erzählte ihnen von meinen Grünschnäbeln, was Helen über die Maßen amüsierte. Freundlicherweise sprach sie nicht von den Nervenkriegen, die sie mit mir hatte ausfechten müssen, als ich bei ihr studiert hatte. Ich berichtete ihr, dass sich anscheinend einige von O’Connors Papieren in einem Lagerabteil befanden und Kenny mir den Schlüssel dazu gegeben hatte. »Ich fahre nach dem Essen gleich rüber. Wenn ich irgendwas finde, das für dich von Interesse sein könnte, hat Kenny bestimmt nichts dagegen, wenn ich es dir gebe.«
    Sie wirkte erst erstaunt und dann

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