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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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sind.«
    Einen Moment, einen ganz kurzen Moment lang, zeichnete sich auf Haileys Miene ab, wie verletzt und betrogen sie sich fühlte. Doch sie kaschierte es rasch und erklärte: »Cool. Ich sage gleich dem Freund Bescheid, der mir davon erzählt hat. Vielleicht willst du ja mit ihm reden, wenn du weiter recherchierst«, sagte sie zu Ethan.
    »Danke«, erwiderte er.
    »Schon okay«, murmelte Hailey, ging eilig davon und verließ den Raum.
    »Siehst du?«, sagte Lydia zu mir.
    »Oh ja, allerdings sehe ich es.« Ich marschierte davon, ehe ich dem Drang nachgab, jemanden zu erwürgen.

    Ich loggte mich aus meinem Computer aus, als mir auffiel, wie nah Ethans Schreibtisch bei meinem stand. Sofort loggte ich mich wieder ein und änderte mein Passwort.
    Ich beschloss, noch einmal mit Hailey zu sprechen, und rief unten beim Sicherheitsdienst an. Geoff sagte, sie habe das Gebäude nicht verlassen. Daher vermutete ich, dass sie zur Toilette gegangen war.
    Ich stand auf und marschierte durch das Flurlabyrinth des Express . Dabei musste ich daran denken, dass im Laufe von zwanzig Jahren irgendjemand mal auf die Idee hätte kommen können, etwas Geld in eine Damentoilette zu investieren, die ein wenig näher an der Nachrichtenredaktion lag, und eine Herrentoilette, die sich ein wenig näher an der Feuilletonredaktion befand, aber Wrigley behauptete, dass sämtliche für die Renovierung des Gebäudes verfügbaren Gelder in die Erdbebensicherung gesteckt worden seien.
    Noch vor zwei Jahren wäre zu dieser Tageszeit beim Feuilleton der Bär los gewesen, doch Wrigley hatte beschlossen, den größten Teil unserer Kulturbeiträge von Agenturen zu übernehmen. Das hatte zu massiven Entlassungen beim Feuilleton geführt, und so lag der Raum nun verlassen vor mir - eine Geisterstadt des Journalismus.
    Ich stand neben einem leeren Schreibtisch, als Hailey aus der Toilette kam. Bei meinem Anblick erstarrte sie.
    »Wir müssen mal kurz miteinander reden«, erklärte ich, setzte mich auf einen wuchtigen Drehstuhl und bedeutete ihr, sich ebenfalls zu setzen.
    Einen Augenblick lang wusste ich nicht, ob sie versuchen würde, alles abzustreiten, zurück auf die Toilette zu stürmen oder an mir vorbeizuwischen. Dann sackten ihre Schultern nach unten, und sie nahm auf einem Stuhl in der Nähe Platz. »Ich werde nicht versuchen, ihm die Story wegzunehmen.«
    »So wie er sie dir weggenommen hat?«
    »Aus Erfahrung weiß ich, dass ich das nicht beweisen kann.
Er ist sehr gewieft im Umgang mit dem Computer. Und außerdem … du kennst Ethan nicht.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe, warf einen Blick zur Tür und sagte: »Er ist jemand, der Ärger macht.«
    »Wie wahr.«
    »Ich meine … er macht Leuten Ärger, die ihm Probleme bereiten. Am College hat er die Leitung der journalistischen Fakultät komplett in der Hand gehabt.«
    »Wie das?«
    »Zuerst kriecht er ein paar Leuten in den Arsch. Aber er stellt Nachforschungen an und recherchiert so einiges über sie.« Sie hielt kurz inne. »Es ist so abartig. Er kann gute Arbeit leisten, wirklich gute Arbeit. Aber er ist faul. Und ich glaube, er hat Probleme mit …«
    Ich wartete. Als sie nicht weitersprach, fragte ich: »Probleme womit?«
    »Er feiert eben gern, weiter nichts. Ich weiß nicht, ob es damit was zu tun hat«, fügte sie rasch hinzu, »deshalb dürfte ich das eigentlich gar nicht über ihn sagen. Außerdem glaube ich nicht, dass das der Hauptgrund für seine Handlungsweise ist. Schließlich hat er ja Talent, oder?«
    »Ja«, stimmte ich zu. »Wenn er sich auf etwas konzentriert, ist es offensichtlich.«
    »Das Problem ist nur, dass er mehr Zeit darauf verschwendet, sich abzusichern und Spielchen zu spielen, statt zu arbeiten.«
    »Wenn du Lydia erzählen würdest …«
    »Vergiss es. Ich hab’s dir doch gesagt. Er kriecht den Leuten in den Arsch. Hier hat er das auch schon gemacht. Mr. Wrigley ist der festen Überzeugung, dass er einen neuen Senkrechtstarter an Land gezogen hat.«
    »Warum gibst du ihm gegenüber klein bei, so wie vorhin?«
    »Wahrscheinlich nur, um bei ihm nicht schlecht angeschrieben
zu sein. Man sollte sich Ethan lieber nicht zum Feind machen.«
    Ich dachte einen Moment lang nach und fragte dann: »Hast du deinen Artikel für heute schon eingereicht?«
    »Ja. Der wird aber kaum einen Flächenbrand auslösen oder irgendwas in der Art.«
    Ich schmunzelte, weil ich daran denken musste, wie ich etwas Ähnliches über meine ersten Beiträge

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