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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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gesagt hatte.
    »Was ist denn so lustig?«
    »Ich will dich nicht mit Schoten aus meinem Leben als Pionierin langweilen.«
    Sie sah mich neugierig an. »Stimmt es, dass du die erste weibliche Reporterin hier gewesen bist?«
    »Nein. Nein, es gab schon ein paar andere vor mir. Möchtest du mal eine der Ersten kennen lernen?«
    »Klar.«
    Ich lachte. »Ich wollte dir vorschlagen, ein Interview mit Helen Swan zu führen, aber nicht, wenn du nur höflich sein willst.«
    »Nein, das war schon mein Ernst.«
    »Sag lieber die Wahrheit«, mahnte ich, »Helen ist nämlich eine strenge alte Lady. Wenn du nur höflich sein willst, wirst du bei ihr nach deiner Mom schreien, noch ehe der Staub sich gelegt hat.«
    Sie schluckte schwer.
    »Geh runter ins Archiv und lass dir den Mikrofilm von der Las Piernas News aus den Jahren um 1936 geben …«
    »Mikrofilm? Gibt’s das nicht auf dem Computer?«
    »Nerv mich bloß nicht. Also, damit du nichts verwechselst - du verlangst den Film von der News , nicht vom Express . Wir waren damals zwei separate Blätter, und Helen hat bei der Morgenzeitung gearbeitet. Lies ein paar Ausgaben, bevor du mit ihr sprichst. Ich habe das Gefühl, dass dich dieser Auftrag weiterbringt. Helen hat ein Talent dafür, andere zu inspirieren.«

    Ein paar Minuten später ging sie. Ich blieb in meiner Geisterstadt und sammelte Ideen dafür, wie man einen Intriganten in die Falle lockt.

53
    »Ziehst du ins Gästezimmer?«, erkundigte sich Frank. Er war umringt von zwei liebebedürftigen Hunden, die sich gegen seine Beine pressten, während Cody, unsere Katze, zur Begrüßung gähnte.
    »Nein«, erwiderte ich, stand auf und beugte mich über die Menagerie, um ihn zu umarmen. »Ich sehe nur ein paar Schriftstücke aus O’Connors Kindheit durch.«
    »Aus seiner Kindheit?« Er erwiderte meine Umarmung. Seine Pistole steckte noch im Schulterhalfter. Sein Gesicht war kühl von der Nachtluft und fühlte sich herrlich an.
    »Ja. Ob du es glaubst oder nicht, er hat mit acht ein Tagebuch geführt. Etwa zur gleichen Zeit hat er begonnen, kleine Geschichten für Corrigan zu schreiben. Du musst sie mal lesen - sie sind köstlich. Er war ja so ein schlaues Kerlchen. Und Corrigan hatte offenbar ein Talent dafür, anderen etwas beizubringen. O’Connor hat bei ihm gelernt, einzelne Reporter anhand ihres Stils zu unterscheiden. Sie haben ein Spiel daraus gemacht.«
    »Ist ja heiß. Ich möchte gar nicht daran denken, was ich in dem Alter zusammengeschrieben hätte.« Er gab mir einen Kuss.
    »Ich habe dir was vom Hühnchen aufgehoben«, sagte ich. Um fünf hatte er angerufen und mir gesagt, dass sie mit einem neuen Mordfall beschäftigt seien und er wahrscheinlich später käme. Ich sah auf die Uhr auf dem Schreibtisch. »Es ist erst acht - nun bist du doch schneller rausgekommen, als ich gedacht habe.«

    Er grinste. »Der Fall ist dem Sheriff von L. A. County übertragen worden. Es hat nämlich alles in dessen Zuständigkeitsbereich angefangen.«
    Er schlüpfte in Jeans und Pulli und verstaute die Waffe. Es fällt mir nicht leicht, diesem Mann dabei zuzusehen, wie er sich aus- und wieder anzieht, ohne dafür zu sorgen, dass er dazwischen die Klamotten eine Zeit lang ausgezogen lässt, doch er hatte Hunger, daher unterbrach ich ihn nicht. Allerdings bemerkte ich eine Art wissendes Leuchten in seinen Augen, das mir verriet, dass ihm nicht verborgen geblieben war, in welche Richtung meine Gedanken abgeschweift waren.
    Wir gingen in die Küche und besprachen die Ereignisse des Tages, während er aß.
    Aufgrund unserer Berufe hatten wir Regeln aufstellen müssen: Er spricht an seinem Arbeitsplatz nicht über meine Tätigkeit und ich an meinem nicht über seine. Er erzählt bei der Polizei nicht, was sich bei der Zeitung abspielt, und ich verrate in der Redaktion nicht, was bei der Mordkommission los ist. Ich frage ihn nicht nach Dingen, die Ermittlungen gefährden könnten, und er fragt mich nicht nach Dingen, die mich zur Preisgabe von Quellen veranlassen würden.
    Das hat unsere jeweiligen Arbeitgeber mitunter schon fuchsteufelswild werden lassen, und gelegentlich hat der Druck, dem wir in der Arbeit ausgesetzt waren, unsere Ehe belastet. Doch auf lange Sicht betrachtet hat es uns auch zusammengeschweißt. An unseren Arbeitsplätzen mögen uns andere verdächtigen, unseren Arbeitgebern gegenüber nicht völlig loyal zu sein oder quasi mit dem Feind zu paktieren, doch zu Hause ist unser gegenseitiges Vertrauen

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