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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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dafür, dass nichts dergleichen passiert.«
    Ich war baff.
    »Jetzt bist du wütend«, sagte er.
    »Nein - nicht wütend. Es ist nur seltsam. Ich meine, es wäre mir lieber, du hättest es mir früher erzählt.«
    »Das habe ich mir schon überlegt. Ich war auch ein paarmal kurz davor, es dir zu sagen. Aber zweierlei hat mich davon abgehalten: Das eine war, dass du, seit die beiden freigekommen sind, ein paar schreckliche Erlebnisse gehabt hast und einfach jedes Mal, wenn ich wieder in Las Piernas war und es dir sagen wollte, der Zeitpunkt denkbar schlecht war - ich wollte dich nicht mit Geschwätz über Leute aufregen, die womöglich weder dir noch mir jemals wieder über den Weg laufen würden.«
    »Und was war der andere Grund, warum du es mir nicht gesagt hast? Dass sie schon zu alt sind?«
    »Nein. Das Böse geht nicht in den Ruhestand.«
    »Keine Rente, was?«
    Er lachte. »Das wird’s wohl sein. Außerdem halten sie sich beide fit, daher würde ich mich aufgrund ihres Alters nicht sicherer vor ihnen fühlen. Nein, der andere Grund, warum ich dir nichts gesagt habe, war Frank. Wenn ich es dir sage, würdest du es vielleicht ihm sagen, und … ich wollte nicht, dass sich Frank verpflichtet fühlt, bei der Polizei zu erwähnen, dass ich die beiden beschatten lasse.«
    »Das verstehe ich, aber das ist kein Problem.«
    »Gut.«
    »Du musst jetzt sicher los, aber kannst du mir vielleicht noch ein wenig über Adam Yeager erzählen, den Knastonkel?«

    »Ach, da gibt’s eigentlich nicht viel zu erzählen. Mom hat es belastet, dass sie immer sagen musste, er sei im Krieg gefallen, wo er doch in der Depressionszeit im Gefängnis gestorben ist. Sie hat mal erwähnt, dass er nicht mehr als ein Jahr in Haft überlebt hat. Deshalb sind Eric und Ian ja von Mitch aufgezogen worden. Ich weiß noch, dass Mitch immer ein Foto von ihm auf dem Schreibtisch stehen hatte. Das ist jetzt nicht viel an Information, aber man könnte vielleicht sagen, dass ich, sobald ich alt genug war, um Fragen über ihn zu stellen, gelernt habe, keine Fragen über ihn zu stellen.«
    »Was willst du damit sagen?«
    Er ließ sich so viel Zeit mit seiner Antwort, dass ich schon fürchtete, unsere Verbindung sei unterbrochen worden. Doch dann erklärte er: »Nicht lange nachdem Mom mir erzählt hatte, dass Adam im Gefängnis umgekommen war, bat ich Mitch, mir die Wahrheit über ihn zu sagen, da ich schließlich seinen Namen trug. Ein Fehler, den ich mir nie verzeihen werde. Danach wurde ich nämlich in dieses Militär-Internat gesteckt. Mitch hat gesagt, meine Mom würde sich nicht wohl fühlen und könne sich deshalb nicht von mir verabschieden.«
    »Oh, Max …«
    »Ich habe sie nie wiedergesehen. Zwei Jahre danach ist sie gestorben. Sie ist eine Treppe hinuntergefallen.« Nach weiterem Schweigen fügte er mit wesentlich leiserer Stimme hinzu: »Oder zumindest hat man es mir so erzählt.«

57
    Danach beendete er das Gespräch, aber mir war unwohl dabei. Ein paar Minuten später rief ich ihn auf seinem Handy an und sagte ihm, ich wolle mich nur vergewissern, dass es ihm gut gehe. Er sagte, es sei alles in Ordnung, dankte mir für meine Anteilnahme und versprach, mich später noch mal anzurufen.
    Es konnte nicht schaden, Adam Yeagers Tod genauer zu untersuchen. Ich ging auf meinem Laptop ins Internet und suchte ihn im Verstorbenenindex der Sozialversicherung, doch er stand nicht darin. Der Index begann im Jahr 1937. Nachdem er nicht aufgeführt war, hätte es auch sein können, dass er vor 1937 gestorben war. Oder er war nicht lohnabhängig beschäftigt gewesen. Vielleicht hatten Häftlinge damals auch gar keine Sozialversicherungsnummer gehabt.
    Ich beschloss, weitere Recherchen anzustellen, sobald ich wieder in der Redaktion war.
     
    Beim Nachdenken über Max fiel mir die erste Zeit unserer Bekanntschaft wieder ein. Mittlerweile waren zwei Jahrzehnte verstrichen, und er wusste immer noch nicht, ob seine Eltern die Leute gewesen waren, die man im Kofferraum dieses Wagens gefunden hatte. Und das ließ mich wiederum über all die anderen ungelösten Fragen nachdenken, die ich über die Nacht hatte, in der Corrigan halb tot geschlagen und die Ducanes ermordet worden waren. Ich nahm mir vor, O’Connors Notizen noch einmal durchzugehen. Vielleicht würde ich mit frischem Blick etwas entdecken, was wir bisher übersehen hatten.
    Als ich die mit »Jack« etikettierte Schachtel aufmachte, strömte eine Flut von Erinnerungen auf mich ein. Zuerst fiel es mir

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