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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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bin nicht komplett verblödet, nur weil ich nicht auf der Straße recherchiere, weißt du. Ich bin nicht außerstande zu erkennen, wenn ein Zweiundzwanzigjähriger sich für den Größten hält.«
    Das kam dem so nahe, was ich über sie gedacht hatte, dass ich rot wurde. Und unglücklicherweise kannte sie mich schon so lange, dass sie mein Erröten sofort als das Schuldeingeständnis erkannte, das es war. »Wie gesagt, es tut mir Leid. Sehr Leid. Ganz ehrlich.«
    Schweigen. Das Essen kam. Keine von uns rührte es an. Als die Minuten verstrichen, war ich anfangs noch ganz zerknirscht, aber bald fühlte ich mich durch ihre Weigerung gekränkt, meine Entschuldigung wenigstens irgendwie anzuerkennen. Wollte sie mich zu Kreuze kriechen sehen?
    »Lydia, bitte. Wir wollen uns doch von diesem kleinen Scheißer nicht unsere Freundschaft ruinieren lassen, oder?«

    Sie sah mir unverwandt in die Augen und sagte: »Er ist nicht derjenige, der sie ruiniert.«
    »Weißt du was? Da hast du Recht.«
    Ich stand auf, warf einen Zwanziger auf den Tisch - viel mehr, als ich zu zahlen hatte, aber ich wollte mir nicht den Vorwurf anhören müssen, dass ich sie zu allem Überfluss auch noch mit der Rechnung sitzen ließ -, und obwohl ich wusste, dass mein irisches Temperament mit mir durchging, verließ ich das Lokal.
     
    Ich musste mich beruhigen, aber wenn ich zusammen mit Lydia in der Redaktion säße, würde ich das nicht schaffen. Ich sah auf die Uhr und erwog meine Möglichkeiten. Von meinem Handy aus rief ich John Walters an, sagte ihm, wo ich zu erreichen wäre, und marschierte um den Block zum Parkplatz der Zeitung. Dann stieg ich in den Jeep und fuhr nach Hause.
    Cody und die Hunde waren begeistert. Der Freund und Nachbar, der sich meist tagsüber um sie kümmerte, war verreist, und so bekam ich eine besonders überschwängliche Begrüßung. Mein gerechter Zorn konnte dem nicht standhalten, und so spielte ich eine Weile mit ihnen - warf Cody ein mit Katzenminze aromatisiertes Spielzeug und den Hunden quietschende Gummitiere zu. Das löste die Anspannung bei allen Beteiligten.
    Dann machte ich mich wieder über O’Connors Aufsätze und sein Tagebuch her. Einer der besten Aufsätze stammte vom April 1936 und trug den Titel: »Was ich bei Gericht gesehen habe«. Er schilderte, wie er sich in einen Gerichtssaal geschlichen hatte, um sich den Prozess gegen Mitch Yeager anzuhören, und später Corrigan von Vorgängen berichtet hatte, die dann als Einschüchterung von Geschworenen geahndet wurden.
    Mitch Yeager hatte wegen irgendetwas vor Gericht gestanden? O’Connor, der jugendliche Reporter, hatte keine Einzelheiten
darüber festgehalten. Ich nahm mir vor, es zu recherchieren.
    Vielleicht wusste ja Max darüber Bescheid. Ich rief ihn an und erreichte ihn glücklicherweise zu Hause. »Ich fahre jetzt gleich zu Lillian rüber«, sagte er. »Hast du meine Handynummer?« Er gab sie mir.
    »Hast du’s eilig? Ich kann dich auch später noch mal anrufen.«
    »Ein paar Minuten Zeit habe ich noch. Worum geht’s denn?«
    »Ich hoffe, die Frage macht dir nichts aus, aber weißt du, ob Mitch Yeager jemals verhaftet worden ist?«
    »Mitch? Nicht dass ich wüsste. Er hätte es mir aber auch nicht erzählt, falls doch - er war nämlich total erpicht darauf, als ehrbarer Bürger zu gelten. Was irgendwie für eine zweifelhafte Vergangenheit spricht, oder?«
    »Kann sein.«
    »Ach, warte mal - bist du sicher, dass du etwas über Mitch und nicht über Adam Yeager gehört hast?«
    »Adam Yeager … der Name kommt mir bekannt vor.«
    »Er war Mitchs Bruder. Der Vater von Ian und Eric. Mein früherer Vorname Kyle war sein zweiter Vorname.«
    »Hast du ihn gekannt?«
    »Nein, er ist schon lange vor meiner Geburt gestorben. Meine Mutter hat immer gesagt, Eric und Ian würden genauso enden wie ihr Vater - als Knastbrüder.«
    Auf einmal unterbrach er sich und fing an zu lachen.
    »Was ist denn so lustig?«
    »Mir ist gerade eingefallen, dass sie Recht behalten hat.«
    »Ja, obwohl sie den Teil mit dem Leben auf einer tropischen Insel wahrscheinlich nicht vorhergesehen hat.«
    »Nein, aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn sie dort bleiben würden.«
    »Du hast das Gerücht also auch gehört.«

    »Oh, das ist kein Gerücht. Sie kommen ziemlich regelmäßig in die Staaten.«
    »Was? Bist du sicher?«
    »Absolut. Ich lasse sie beschatten, Irene. Wenn ich nur einen Moment lang befürchten müsste, dass sie dir etwas antun, dann … jedenfalls sorge ich

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