Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
Vom Netzwerk:
hat mir erzählt, dass sich Katy bei ihr revanchiert hat, indem sie Lillian gewisse unangenehme Fragen über ihre Vergangenheit gestellt hat und wissen wollte, warum sie nie weitere Kinder bekommen hätte und so weiter. Lillian hat sich geweigert, ihr zu antworten, und ihr gesagt, dass sie sich den Kopf lieber nicht über die Jugendtorheiten ihrer Mutter zerbrechen soll, sondern lieber über ihre eigenen - weil es extrem gefährlich sein könnte, einen Mann wie Mitch Yeager zu beleidigen. Als Katy gefragt hat, ob Mitch ihr Vater sei, hat Lillian erwidert, dass sie sich solche Fragen lieber verkneifen soll, wenn sie nicht will, dass ihr jemand ins Gesicht spuckt.«
    »Und das Testament?«
    »Ach ja. Das Testament. Katy hat gesagt, dass Jack ihr Vater hätte sein sollen und sie ihn mehr liebt als alle ihre Blutsverwandten. ›Das ist deine Familie‹, hat Lillian erwidert, ›und es wird Max’ Familie sein, und du solltest dankbar sein, dass du nicht von einem Säufer aufgezogen worden bist, der kaum einen Cent besitzt.‹«
    »Aua.«
    »Lillian hat gesagt, dass ihr Katy beim Gehen noch einen letzten Tiefschlag versetzt hat. Sie hat Lillian gesagt, sie soll
alle ihre Münzen zusammenrollen und sie sich in den Arsch stecken - ja, ich weiß, nicht sehr damenhaft - und dass Jack, ganz egal, ob nüchtern oder betrunken, noch in einer Bruchbude ein Kind besser aufziehen könne als Lillian oder irgendeiner von den Ducanes in einer Luxusvilla.«
    »Also ist sie von dort aus gleich zu einem Anwalt gefahren?«
    »Ach, das war gar nicht so mysteriös, wie es anfangs aussah. Offenbar hatte sie den Termin bei ihm schon vorher vereinbart. Dan Norton - der Detective der Mordkommission, der als Erster Ermittlungen über das Verschwinden der Ducanes angestellt hat - hat die Sache mit dem Testament bereits 1958 unter die Lupe genommen. Der Anwalt hat Norton erzählt, dass Katy gekommen war, um sich wegen einer Scheidung von Todd beraten zu lassen. Dass sie diese Absicht hatte, hat sie auch gegenüber anderen schon erwähnt gehabt. Sie ist zu früh gekommen - wahrscheinlich weil sie früher als geplant aus Lillians Haus gestürmt ist. Während sie noch auf den Anwalt gewartet hat, hat sie mit einer anderen Klientin gesprochen, die dort war, um ein Testament und andere Dokumente aufsetzen zu lassen - eine junge Witwe, die ihr erzählt hat, sie wolle sicherstellen, dass ihre Kinder, falls ihr auch etwas zustieß, in die Obhut ihrer Tante gegeben würden, nicht in die ihrer Mutter.«
    »Und da hat Katy an ihr eigenes Kind denken müssen. Deshalb hat sie dafür gesorgt, dass Jack wenigstens eine Bruchbude hat, in der er Max aufziehen kann.«
    »Ja.«
    Ich dachte über all das nach, was sie mir erzählt hatte. »Ich bin nicht sicher, ob mich das wesentlich weiterbringt«, sagte ich.
    »Vielleicht nicht. Aber lies einfach weiter in Conns Tagebüchern«, riet sie mir. »Und komm wieder zu mir, falls ich dir irgendwie helfen kann.«

    Ich dankte ihr für ihr Vertrauen. Bevor ich ging, wollte ich noch etwas wissen. »Helen, hoffst du eigentlich, dass die Untersuchungen beweisen, dass Max das verschollene Kind ist oder dass er es nicht ist?«
    »Ich hoffe, dass Max froh und unversehrt leben kann. Das vor allem und mehr als alles andere.«
    »Weiter nichts?«
    »Ach, willst du etwa wissen, ob es mir eine Erleichterung wäre, wenn ich wüsste, dass Katys Kind noch am Leben ist? Ja, schon, denn angesichts dessen, was du und Conn über diese Nacht recherchiert habt, fürchte ich, dass dieses Kind umgebracht worden ist, falls Max es nicht ist. Außerdem hoffe ich, dass vielleicht eines schönen Tages Gerechtigkeit walten wird. Gerechtigkeit wäre süß. Das ist eine der Veränderungen, die man erlebt, wenn man alt wird, weißt du. Die Geschmacksknospen welken wie alles andere, aber die letzten, die dahinschwinden sind die, die Süße schmecken können. Wenn der liebe Gott will, dann würde ich gern ein wenig süße Gerechtigkeit für Katy schmecken.«

60
    Vier Wochen später schien alles eine glückliche Wendung zu nehmen. Haileys Reportage über Helen war ein Schmuckstück geworden. Nach ihrem Erscheinen bekamen wir Briefe von jungen und alten Lesern. Ich hatte mir Helens Rat zu Herzen genommen, Lydia angerufen und so getan, als hätten wir keinen Streit. Das hatte tatsächlich funktioniert, und schließlich hatten wir uns offen ausgesprochen - mit dem Erfolg, dass die Redaktionsharmonie wieder hergestellt, größere gegenseitige Achtung eingekehrt

Weitere Kostenlose Bücher