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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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das Ganze ausgelöst.«
    »Mag sein, aber auf jeden Fall weiß sie, dass jetzt vor allem sie auf dem Holzweg ist.«

    »Sie weiß es?«
    »Ja. Und deshalb musst du diejenige sein, die noch einmal auf sie zugeht, Irene - damit sie es zugeben kann.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Bedeutet dir das Schlimmste, was sie je zu dir gesagt hat, mehr als das Beste, was sie je für dich getan hat?«
    »Nicht einmal annähernd.«
    »Dann überwinde dich. Ruf sie an. Lad sie irgendwohin ein. Nicht, um euch auszusprechen, sondern einfach nur, um euch zu sehen, und wenn der richtige Moment gekommen ist, könnt ihr euch gegenseitig sagen, wie dumm diese ganze Streiterei ist. Einverstanden?«
    »Wenn sie mich wieder abblitzen lässt, hetze ich sie dir auf den Hals.«
    »Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird.«
    »Erzähl mir von dem Testament.«
    Sie seufzte. »In Ordnung. Aber ich will zwei Dinge vorausschicken: Erstens weiß ich die Antwort darauf erst seit kurzem. Ich habe gedroht, das Blockhaus zu verkaufen, und dadurch ist Lillian wohl weich geworden und hat mir erzählt, was sich abgespielt hat. Und zweitens ist das alles absolut vertraulich. Wenn du das Gefühl hast, du musst es irgendwann jemandem erzählen, dann bitte nur, nachdem dir Lillian die Erlaubnis dazu gegeben hat, oder nachdem sie gestorben ist. Wenn du mir das nicht versprichst, kann ich es dir nicht sagen.«
    »Einverstanden.«
    »Also, Lillian hat mir Folgendes erzählt: Ein paar Tage vor Katys Geburtstag ist Mitch Katy und Lillian begegnet, als sie gemeinsam in der Stadt einkaufen waren. Sie hatten die Hände voll, da sie Einkaufstüten getragen haben - du weißt schon, so große, schicke Papiertüten mit gezwirnten Griffen. Ihr Chauffeur war mit einem Arm voller Schachteln bereits vorausgegangen und sollte den Wagen holen. Mitch hat sich erboten, ihnen etwas abzunehmen, bis der Wagen da wäre, und
Katy hat ihn beleidigt. Er hat sie gefragt, warum sie immer so grob zu ihm sei, und sie hat ungefähr geantwortet: ›Onkel Jack hat mir alles über Sie erzählt.‹«
    »Ich weiß von O’Connor, dass sie Jack so genannt hat.«
    »Sie hat immer ›Onkel Jack‹ zu ihm gesagt, von Kindesbeinen an. Jack war ihr wesentlich mehr ein Vater als Harold - Harold hat weniger als ein Dutzend Nächte im Monat zu Hause verbracht. Aber wie auch immer sie Jack genannt hat, sie hätte ihn gegenüber Mitch nicht erwähnen dürfen. Jacks Name war schon immer Anlass genug, um ihn aus der Haut fahren zu lassen.«
    »Wegen der Artikel, die er über Mitch geschrieben hat?«
    »Ich glaube schon. Obwohl Mitch weiß Gott anders gepolt ist als ein normaler Mensch. Er kann keine Beleidigung vergessen, er fühlt sich sofort gekränkt, und er empfindet die kleinste Kritik als schweren Affront. Und deshalb war das, was dann passiert ist, das Schlimmste, was hätte passieren können. Lillian zufolge hat Mitch Katy am Kinn gefasst und gesagt: ›Onkel Jack, soso. Er ist genauso wenig dein Onkel, wie Harold dein Vater ist. Hat deine Mutter dir denn nicht erzählt, wie eng wir seinerzeit befreundet waren?‹ Katy hat ihm ins Gesicht gespuckt.«
    »Nicht dass ich Katy einen Vorwurf machen würde«, sagte ich, »aber warum hat Lillian das angesichts der nachfolgenden Ereignisse nicht der Polizei erzählt?«
    »Irene, du darfst nicht vergessen, dass wir zwanzig Jahre lang gedacht haben, Katy wäre bei einem Bootsunglück umgekommen. Lillian hat mir erzählt, dass sie 1978 in Erwägung gezogen hat, zur Polizei zu gehen, als du herausgefunden hast, was Katy und Todd in Wirklichkeit zugestoßen ist, aber als sie gesehen hat, dass nicht einmal Ian und Eric verurteilt worden sind, ist ihr klar geworden, dass ihr Wort gegen Mitchs Wort stehen und Mitch behaupten würde, dass das Ganze nie geschehen sei.«

    »Und niemand sonst hat es gesehen?«
    »Vielleicht hat es jemand gesehen, aber dass sich derjenige dann zwanzig Jahre später an einen relativ belanglosen Vorfall erinnert? Lillian hat bezweifelt, dass irgendjemand Mitchs Worte gehört hatte. In der Situation selbst wird sie wohl kaum daran gedacht haben, sich die Namen von Zeugen aufzuschreiben - sie hat eher inständig gehofft, dass niemand die Szene mitbekommen hat. Sie hat sich bei Mitch entschuldigt, und Gott sei Dank ist in diesem Moment ihr Fahrer gekommen, was Mitch wahrscheinlich gerade noch daran gehindert hat, Katy zu ohrfeigen.«
    »Und was ist danach passiert?«
    »Lillian hat Katy ins Auto gezerrt und zu Hause zur Schnecke gemacht. Sie

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