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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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ist?«
    »Ja. Sie hatte kurz nach der Hochzeit ihre Eltern bei einem Autounfall verloren. Danach wollte sie eine Weile raus. Es war Sommer und entsetzlich heiß, und da hat sie beschlossen, in ein riesiges Blockhaus in den Bergen zu ziehen, das ihrer Familie gehörte - eigentlich eher eine Art Chalet. Später gestand sie mir, dass sie sich einsam und verlassen gefühlt hat und an Frauen denken musste, die weniger Glück gehabt hatten als sie, und da ist sie auf die Idee gekommen, ein Haus für ledige Mütter zu gründen.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Es existiert noch immer. Sie hat noch ein zweites, kleineres Blockhaus in der Nähe gekauft. Wenn die Vanderveers gewusst hätten, zu welch skandalösen Zwecken sie das Chalet benutzt, wären sie aus dem Grab zurückgekommen und hätten bei ihr gespukt. Aber sie hat die richtige Wahl getroffen. Ich glaube, das hat sie beschäftigt und sie davon abgehalten, über ihre eigenen Probleme nachzugrübeln. Und sie war weg von Thelma Ducane, die einen schrecklichen Einfluss auf sie hatte. Die ledigen Mütter waren bessere Menschen als Thelma, die ungefähr so moralisch war wie ein Schakal.«
    »Und wie kommst du bei der Sache ins Spiel?«
    »Sie hat gehört, dass ich bei der Zeitung aufgehört und nach
einem Job gesucht habe. Außerdem war sie Wrigleys Patenkind, und er hatte sie gern.« Sie lächelte. »Die liebe Lillian. Sie hat dem alten Mann ziemlich die Hölle heiß gemacht, weil er mich hat gehen lassen, und ihm erklärt, dass sie mich einstellen würde, nur um ihm eins auszuwischen. Also hat sie mich aufgefordert, dort raufzukommen und ihr zu helfen, das Heim für ledige Mütter zu führen. Sie hat sich hartnäckig dagegen gestemmt, mich auch nur erwägen zu lassen, zur Zeitung zurückzukehren. Wir sind blendend miteinander ausgekommen.«
    »Haben die Leute damals nicht die Nase darüber gerümpft, wenn eine unverheiratete Frau in einem Haus für ledige Mütter gearbeitet hat?«
    Helen lachte. »Irene, was glaubst du, was sie von Frauen gehalten haben, die bei der Zeitung gearbeitet haben?«
    »Oh. Und das kleinere Blockhaus? Ist das das Haus, wo Katy zur Welt gekommen ist?«
    »Ja.«
    »Kein Wunder, dass du ihr so nahe gestanden hast.«
    »Ja, ich habe von Anfang an eine Rolle in ihrem Leben gespielt.«
    »Und später hat Lillian das Blockhaus dann Katy geschenkt, und Katy hat es Jack vermacht?«
    »Ja.«
    »Dieses Testament hat mich schon immer erstaunt. Weißt du, warum sie es verfasst hat?«
    Helen zögerte einen Moment. »Die Frage kann ich dir beantworten, aber ich kann sie dir vollständiger beantworten, wenn du vorher Lillian anrufst und sie bittest, mir zu erlauben, dir alles über den Tag zu erzählen, an dem Katy das Testament gemacht hat.«
    Ich sah sie an, als wäre sie verrückt geworden.
    »Verlässt dich jetzt der Mut? Sie ist zwar jünger als ich, aber ich glaube trotzdem, dass du in einem fairen Kampf mit ihr fertig werden würdest.«

    Ich holte mein Handy heraus und drückte Wiederwahl.
    Lillian meldete sich, und als ich ihr sagte, was ich wollte, erwiderte sie: »Geben Sie sie mir mal.«
    Ich reichte Helen das Handy.
    »Ja, natürlich verzeihe ich dir«, sagte sie nach einer Weile. »Und du verzeihst mir hoffentlich auch?«
    Erneut trat eine lange Pause ein, während der Helen mit den Augen rollte. »Ja, es war gemein, dass ich das zu dir gesagt habe.«
    Noch eine Pause. »Ja, mach ich … das ist bestimmt das Beste. Verstehst du das? … Das freut mich … Danke …. Ja, bis dann. Mach’s gut.«
    Sie sah das Handy an und reichte es mir. »Die Verbindung beenden musst du. Ich hasse diese Dinger. Und die Tasten sind so klein. Wer entwirft eigentlich solche Teile?«
    Ich trennte die Verbindung und verstaute das Handy, ehe ich mich ihr zuwandte und »Wow!« sagte.
    »Wow?«
    »Ihr beide habt euch derart gestritten, dass ich schon Angst bekommen habe, ihr würdet handgreiflich werden, und dann lässt sich so leicht alles wieder einrenken?«
    »Wir haben im Lauf der letzten sechzig Jahre eine Menge Übung darin bekommen. Irgendwann begreift man nämlich, dass man nie genug Zeit hat, um die Gesellschaft seiner engsten Freunde zu genießen, also lernt man lieber, wie man Schäden schnell beheben kann.« Sie hielt kurz inne. »Lydia hat mich gestern angerufen.«
    Ich merkte, wie sich mein Rückgrat versteifte.
    »Weißt du was?«, sagte Helen. »Ich glaube, sie ist im Unrecht.«
    »Nicht allein«, erwiderte ich. »Eigentlich habe ich mit meiner Einstellung

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