Totenruhe
»Aber …«
»Ich glaube, er hat etwas missverstanden, was Joe gesagt hat, Sir«, sprang Matt Arden ein und schilderte, was bei O’Connors Eintreffen gesprochen worden war.
»Um Himmels willen, doch nicht Kathleen«, versicherte Norton. »Es ist eine der Hausangestellten. Die, die das Kind versorgt hat. Kindermädchen nennt man das, glaube ich … Conn, hör mal, das hier ist eine ganz üble Geschichte. Bist du gekommen, um für den Express darüber zu berichten?«
»Nein, aber …«
»Aber gar nichts. Falls doch, kann ich dir kein Wort mehr sagen.«
»Nie?«
»Du weißt genau, was ich meine.«
»Und du weißt, was ich meine. Wenn ich weiß, dass hier etwas passiert ist, und es der Zeitung verschweige, hätte Mr. Wrigley allen Grund, mich zu feuern.«
»Macht er nicht. Nicht, wenn du vom alten Wrigley sprichst. Er weiß selbst, was los ist, und hat versprochen zu kooperieren. Aber ich muss sicher sein können, dass er dich nicht hergeschickt hat, um darüber zu schreiben.«
»Hat er nicht. Ich bin genau aus dem Grund hier, den ich dir genannt habe.«
»Na gut. Warte hier, und sobald die Jungs von der Spurensicherung fertig sind, komme ich wieder und erzähle dir Genaueres. Im Moment habe ich ein bisschen viel um die Ohren.«
»Dan - was ist hier los?«
Norton zögerte, ehe er antwortete: »Das Kind ist verschwunden. Der kleine Maxwell Ducane. Anscheinend entführt. Aber wir wissen nicht, wo die Ducanes sind - keiner von ihnen.«
»Was?«
»Sie sind mit dem neuen Boot der Ducanes rausgefahren und nicht mehr zurückgekommen. Sie wollten eigentlich nur zwei Stunden wegbleiben, aber gestern am späten Abend ist Nebel aufgezogen, und danach ist gleich der Sturm gekommen, also weiß man nicht, was sie letztlich gemacht haben. Womöglich sitzen sie drüben auf Catalina Island und warten, dass der Sturm abflaut. Ich habe schon versucht, sie über Funk zu erreichen, nur leider vergebens. Die Küstenwache hält Ausschau nach ihnen, aber bei diesem Wetter - na ja, das war in groben Zügen alles. Jetzt rühr dich nicht vom Fleck, dann erzähl ich dir alles ausführlicher, sowie ich Zeit finde.«
Also wartete O’Connor und lauschte dem Regen. Er war enorm erleichtert gewesen, als er gehört hatte, dass nicht Katy die Ermordete war, doch als er so kurz darauf den Rest von Nortons Neuigkeiten vernommen hatte, war es mit seiner Erleichterung vorbei gewesen. In seine Angst um das Kind mischte sich Frustration darüber, dass er nur bruchstückhafte Informationen besaß.
Der Leichenwagen fuhr davon. Wer war sie, die arme Seele, die ermordet worden war, nur weil sie hier arbeitete?
Er nahm eine Bewegung im Rückspiegel wahr, jemand, der den Gehsteig entlangging. Ohne den Blick abzuwenden, wartete er, doch niemand kam an seinem Wagen vorbei. Als er sich umdrehte, blickte er in eine beschlagene Heckscheibe und fragte sich, ob er doch nur einen Schatten gesehen hatte.
Er stieg aus, um herauszufinden, ob tatsächlich jemand durch die Büsche am Gehsteigrand geschlichen war, und versuchte, durch den Regen zu spähen, doch der Wind drückte das Wasser wie eine Wand gegen ihn. Rasch stieg er wieder ein.
Immer wieder blickte er zwischen der Straße und dem Rückspiegel hin und her, doch außer wabernden Schatten, die von den windgepeitschten Ästen der Bäume herrührten, sah er nichts.
Auf einmal kam Bewegung in die Polizisten. Eine der hölzernen Barrikaden wurde beiseite geschoben, und Lillian Vanderveer Linworths von einem Chauffeur gesteuerter Rolls fuhr heran.
Langsam glitt der Silver Cloud an O’Connors Wagen vorbei, ehe er bremste und ein Stück zurücksetzte, um neben dem Nash anzuhalten. O’Connor fragte sich, ob die Polizei sie gebeten hatte herzukommen, oder ob sie selbst den Entschluss gefasst hatte, sich den Tatort anzusehen. Wie er Lillian kannte, war Letzteres wahrscheinlicher - Passivität war nicht Lillians Art. O’Connor konnte ihr nicht verdenken, dass sie hergekommen war. Er hatte auch oft an der Straßenecke gestanden, wo Maureen zuletzt gesehen worden war.
Der Chauffeur stieg aus und spannte einen großen Regenschirm auf. Bei dem heftigen Wind nützte er ihm aber nicht viel. Er war jung, jünger als O’Connor, kam mit trübsinniger Miene an die Fahrerseite getrottet und wartete höflich. O’Connor erbarmte sich seiner und kurbelte das Fenster herunter, da er annahm, dass niemand zum Spaß draußen im kalten Regen stand.
»Mr. O’Connor? Mrs. Linworth würde Sie gern sprechen,
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