Totenruhe
hatte er womöglich inzwischen das Stadium erreicht, wo er genug Martinis gekippt hatte, um rosa Elefanten zu sehen.
O’Connors Gedanken wandten sich rasch seiner größeren
Sorge zu, nämlich dass es jemand darauf angelegt hatte, Jack umzubringen. Der große, blonde Mann, von dem er gesprochen hatte, hatte Jack mit einem Hieb bewusstlos geschlagen. Aber warum hatte er weiter auf einen Ohnmächtigen eingedroschen? Hätte er etwas Derartiges auf der Party selbst getan, hätten andere eingegriffen. Also hatte er dafür sorgen müssen, dass Jack von dort weggebracht wurde, und das vor den Augen von Zeugen. Mittlerweile fieberte O’Connor dem Gespräch mit Katy entgegen - vielleicht konnte sie ihm sagen, was vorgefallen war. Und vor allem würde sie wissen, wer auf der Party gewesen war.
Er bog in die Straße der Ducanes ein und musste scharf bremsen, um nicht gegen eine Polizeiabsperrung zu prallen.
10
Der Nash kam auf der glatten Straße ins Schleudern, doch O’Connor brachte ihn wieder in seine Gewalt und konnte ihn abbremsen, ohne einen der beiden grimmig dreinblickenden Polizisten zu rammen, die nun mit ihren Taschenlampen zur Windschutzscheibe hereinleuchteten. Obwohl sie Regenmäntel trugen, konnten sie bei dem stürmischen Wind weder durch Ducken noch durch Wegdrehen verhindern, dass ihnen der Regen ins Gesicht peitschte. Als einer von ihnen an die Beifahrerseite trat, kurbelte O’Connor sein Fenster ein bisschen weiter herunter und zeigte seinen Presseausweis vor. Während der Polizist den Ausweis musterte, schaute O’Connor zum Haus der Ducanes hinüber. In der halbrunden Einfahrt stand ein seltsames Sammelsurium von Fahrzeugen: ein ramponierter schwarzer Hudson, vermutlich Todds Vehikel, ein taubengrau-schwarzer Rolls-Royce Silver Cloud sowie der amtliche Leichenwagen.
O’Connors Magen machte einen Satz.
Entlang der Straße standen mehrere Streifenwagen und ein T-Bird, den O’Connor schon oft gesehen hatte. Er gehörte einem alten Freund - Detective Dan Norton.
»Ihr Komiker hört echt das Gras wachsen, was?«, sagte der Polizist und gab O’Connor den Presseausweis zurück.
»Was ist passiert, Officer?«
»Warum soll ich Ihnen das verraten?«
»Wer ist es denn, Joe?«, fragte der andere Polizist und trat ans Wagenfenster. Zu O’Connors Erleichterung war es jemand, den er kannte - ein Polizist namens Matt Arden.
»Ein Reporter«, antwortete der, der Joe hieß. »Abgesehen davon, dass es so was wie ›einen‹ Reporter nicht gibt. Das ist wie bei Ameisen oder Küchenschaben. Die kommen auch nicht einzeln vor.«
»Officer Arden, wir sind uns schon mal begegnet«, sagte O’Connor.
Arden spähte in den Wagen und sagte: »Ach, Sie sind’s.« Dann wandte er sich zu seinem Kollegen um und erklärte: »Er ist in Ordnung, Joe.«
»Er wartet hier, bis ich grünes Licht kriege. Geh rauf und frag am Haus.«
»Matt - was ist denn hier passiert?«, erkundigte sich O’Connor.
»Eine Frau ist ums Leben gekommen«, antwortete Joe, ehe Matt antworten konnte.
»Eine Frau … mein Gott …«
»Hey, Conn«, sagte Matt. »Alles in Ordnung?«
»Arden, warum bist du eigentlich noch hier?«, fragte Joe.
»Habe ich dir nicht gesagt, du sollst rauf zum Haus gehen?«
Matt warf O’Connor einen hilflosen Blick zu und setzte sich in Bewegung.
»Jetzt seien Sie ein braver Junge«, wies Joe ihn an, »und fahren Sie Ihre Karre an den Straßenrand, damit Sie nicht im Weg sind, solange Sie warten. Na los, wird’s bald?«
Benommen fuhr O’Connor zur Seite und parkte unter einem großen Baum.
Während er zwischen Unglauben und Trauer schwankte, kam ihm immer wieder derselbe Gedanke:
Was sage ich nur Jack?
Jack konnte in seinem Zustand keine derartigen Nachrichten verkraften. Was würde das in ihm auslösen?
So kühl sich Lillian auch in den Jahren nach dem Unfall Jack gegenüber gezeigt hatte, sie hatte nie zu verhindern versucht, dass Katy ihn lieb gewann. Dazu war es gekommen, weil Jack und Lillian beide mit Helen Swan befreundet waren.
O’Connor konnte sich noch an damals erinnern. Kurz nach Jacks Unfall hatte Helen sich so über den alten Wrigley geärgert, dass sie bei der Zeitung gekündigt hatte. Zu Wrigleys Verdruss begann sie anschließend, für sein Patenkind Lillian Vanderveer Linworth zu arbeiten, die Helen mit aller Kraft gegen seine Bemühungen abschirmte, sie wieder für sein Blatt zu gewinnen. Lillian zog sogar eine Zeit lang in ihr Chalet in Arrowhead und nahm Helen mit.
Schließlich
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