Totenruhe
verbrennen. Also - du hast deinen guten Anzug angehabt. Wo warst du denn gestern Abend?«
»Bei Lillian. Auf Katys Geburtstag.«
O’Connor konnte seine Verblüffung nicht verbergen. »Auf Katys Geburtstagsparty? Lillian hat dich eingeladen?«
»Nein. Katy hat mich eingeladen.«
Langsam verließen ihn die Kräfte, doch er kämpfte sichtlich dagegen an.
»Conn, irgendwas hat an ihr genagt. Sie massiv belastet.«
»Katy?«
»Ja …« Jacks Gedanken schienen abzuschweifen, doch dann sah er wieder O’Connor an. »Sie hat mehrmals gesagt, dass sie mit mir reden will, aber offenbar wollte sie nicht, dass die Familie mitkriegt, was sie mir zu sagen hat. Du weißt ja, dass sie so gut wie nie etwas ernst nimmt, aber heute Abend … ich meine gestern Abend … da war sie richtig bedrückt.«
»Wenn du dir Sorgen um sie machst, rufe ich sie morgen gleich an. Vielleicht kommt sie dich dann besuchen.«
»Fahr heute Abend noch bei ihnen vorbei.«
»Heute Abend? Jack, es ist kurz vor Mitternacht.«
»Sie ist ein Nachtmensch.«
»Und Todd Ducane wird natürlich nichts dagegen haben, wenn ich mitten in der Nacht seine Frau besuchen will.«
»Denk noch mal nach.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Er hat eine Geliebte. Er verbringt vielleicht drei Abende die Woche zu Hause.«
»Erstens ist es ja womöglich das, was Katy belastet. Und zweitens, was, wenn ich zufällig einen der drei Abende erwische?«
»Katy stört das nicht. Ich habe ihr angeboten, ihn so platt zu schlagen, dass sie ihn als Teppich benutzen kann.«
»Das war aber, bevor du selbst zum Bodenbelag umfunktioniert worden bist.«
Jack überhörte das. »Sie hat gesagt, ich soll mir die Mühe
sparen. Sie will ihn nicht mehr. Und sie weiß schon seit Monaten Bescheid. Olle Kamellen.«
»Okay, für alle außer mir anscheinend. Trotzdem kann es sein, dass Todd kein Freund von Großzügigkeit ist und unwirsch reagiert, wenn ich um Mitternacht bei ihm aufkreuze. Es sind schon Leute wegen belangloserer Lappalien erschossen worden.«
»Er fährt eine alte Mühle, die er immer in der Einfahrt parkt.«
»Nicht in der Garage?«
»Nein, er ärgert gern die Nachbarn. Hofft, dass ihm das zu einem Geschenk von Lillian verhilft.«
»Verstehe. Das Haus gehört Lillian, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Und seine Eltern kaufen ihm kein neues Auto, also legt er es darauf an, dass es Lillian irgendwann so peinlich wird, dass sie die Moneten für ein Fahrzeug ausspuckt, das der Gegend würdig ist.«
»Ja.«
»Warum hat Katy den Kotzbrocken geheiratet?«
»Frag sie.«
»Wenn ich sie heute Abend sehe.«
»Ja.«
»Und wer passt dann auf dich auf? Ich will nicht riskieren, dass jemand hier reinkommt und das zu Ende bringt, was er angefangen hat.«
»Mir passiert schon nichts. Besuch Katy. Fahr zu ihr rüber und sieh nach, ob bei ihr alles in Ordnung ist.«
»Warum kann ich sie nicht einfach von dem Münztelefon unten anrufen?«
»Dann weckst du das Kind und alle anderen dazu.«
O’Connor seufzte. »Ist dir die Sache so wichtig?«
»Bitte.«
»Bin schon unterwegs«, sagte er und griff nach Hut und
Mantel. Vor der Tür blieb er stehen. »Jack, wo sind dein Hut und dein Mantel?«
»Weiß ich nicht. Bei Lillian vielleicht? Keine Ahnung.«
»Ich frage sie, ehe Hastings die Sachen der Wohlfahrt spendet.«
»Der Butler? Der bügelt wahrscheinlich gerade meinen Mantel.«
»Schlaf jetzt.«
»Das werde ich mir wohl kaum verkneifen können. Hey, Conn?«
O’Connor wartete.
»Danke.«
»Ruh dich aus. Ich berichte dir dann, was die Prinzessin zu sagen hatte.«
O’Connor fuhr in seinem Nash Rambler durch den Regen. Das Fenster ließ er einen Spaltbreit offen, damit die Windschutzscheibe nicht beschlug; allerdings prasselten Tropfen herein. Den größten Teil des Wegs führte er Selbstgespräche und schalt sich einen Einfaltspinsel, weil er den Willen eines Mannes in Jacks Zustand befolgte, eines Mannes, der so brutal zusammengeschlagen worden war, dass er sich einbildete, gesehen zu haben, wie auf einer Farm ein Auto vergraben wurde.
Aber vielleicht hatte Jack den Vorgang ja tatsächlich gesehen. O’Connor neigte immer mehr dazu, das Ganze für bare Münze zu nehmen, obwohl es dermaßen widersinnig war, dass er Jacks Zustand zum genannten Zeitpunkt anzweifeln musste. Wenn er nicht von den Schlägen benommen gewesen war, dann eventuell vom Alkohol. Jack bekam zwar normalerweise keine Wahnvorstellungen, wenn er betrunken war, aber als jahrelanger Gewohnheitstrinker
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