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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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unterrichten angefangen hatte - genau wie Helen. Weder er noch sie war wesentlich älter gewesen als Ms. Kelly, als sie begonnen hatten, O’Connor zum Schreiben zu ermutigen. Dieser Gedanke stieß ihm sauer auf.
    »Ms. Kelly möchte keine Hilfe von Typen wie mir. Erst recht nicht, seit sie mich gestern belauscht hat.«
    »Du bist doch sonst nicht so furchtsam, Conn. Zeig ein bisschen Rückgrat.«
    »Es hat nichts damit zu tun, dass ich Angst vor ihr hätte.«
    »Weißt du was?«, sagte Helen. »Du bist ein braver Katholik, der ein wenig Buße tun muss. Ich springe als dein Beichtvater ein.« Sie lachte heiser. »Du hast dich gegen Irene versündigt,
indem du bei einem anderen Kollegen über sie gelästert hast. Gibst du das zu?«
    »Sicher, aber …«
    »Und die Buße für diese Sünde besteht darin, dass du ihr hilfst, selbst wenn sie das gar nicht will. Selbst wenn sie nie sagt: ›Vielen Dank, oh weiser und wunderbarer Mr. O’Connor‹ - hilf ihr.«
    »Also, Helen …«
    »Und für deine noch viel schlimmere Sünde, dass du reichlich sexistische Vorurteile ihr gegenüber an den Tag legst - was ich dir nie zugetraut hätte, Conn -, musst du so viel wie möglich über sie herausfinden. Du behauptest, dass sie sich als Reporterin nicht anstrengt - also geh der Sache auf den Grund. Krieg raus, warum zum Teufel das so ist.«
    Er war perplex. »Du glaubst, sie steckt irgendwie in Schwierigkeiten?«
    »Das vielleicht nicht gerade, aber nachdem sie nur einen Artikel wie diesen verfasst hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass irgendwo in ihrem Leben etwas im Argen liegt.«
    »Was glaubst du denn, was für ein Problem sie hat?«, fragte er gereizt.
    »Conn, ich würde es dir sagen, wenn ich es wüsste. Herrgott, ich habe sie nicht mehr gesehen, seit sie nach Bakersfield gegangen ist. Sie hat mich zwar nach Jacks Tod angerufen, aber ich war viel zu sehr in meine eigenen Sorgen verstrickt, als dass ich sie nach ihren gefragt hätte.«
    Erneut sah er zu Jacks Sessel hinüber und merkte, wie es ihm die Brust zuschnürte.
    »Conn?«
    »Na gut, Swanie. Ich will versuchen, ihr zu helfen.«

21
    Warren Ducane sah auf die Uhr. Der junge Mann, den er den anderen vorstellen wollte, kam offenbar verspätet zu ihrer Verabredung, doch Warren hegte keinen Zweifel daran, dass er kommen würde. Wenn die anderen nur Geduld hatten, würde alles gut gehen. Warren hatte es nicht eilig - schließlich hatte er sechzehn Jahre auf diesen Moment gewartet.
    Er musterte die Gesichter der anderen, die sich um den langen Tisch in Zeke Brennans Anwaltskanzlei versammelt hatten: Zeke, Auburn Sheffield und Lillian Vanderveer Linworth. Echt nett von ihr, dass sie gekommen war. Er hatte schon Angst gehabt, sie werde nicht erscheinen, da die Spannungen zwischen ihren Familien womöglich über den Tod seiner Mutter hinausreichten. Und so war er froh darüber, dass sie ihm offenbar nicht feindselig gegenüberstand.
    Die ersten fünf Jahre, nachdem Todd auf See verschollen war, waren die schrecklichste Zeit in Warrens Leben gewesen, doch er hatte sie überstanden, ohne eines der beiden Dinge zu tun, die ihm am naheliegendsten erschienen waren: sich umbringen oder bei der Polizei ein Geständnis ablegen. Warren schrieb es eher seiner Feigheit als seinem Mut zu, dass keines von beidem geschehen war. Und Auburns Freundschaft. Auburn hatte ihm allwöchentlich das Versprechen abgenommen, dass er sich nicht umbringen werde, bis zu dem Tag, an dem Warren schließlich versprach, keinen Selbstmordversuch zu unternehmen, ohne vorher mit Auburn zu sprechen.
    Warrens Leben hatte sich verändert. Er besuchte keine gesellschaftlichen Ereignisse mehr. War er früher jemand gewesen, der es kaum aushielt, allein zu sein, konnte er jetzt die Gesellschaft anderer nur noch selten ertragen. Sein zurückgezogenes Leben galt bei anderen als Indiz für seine Trauer - schließlich, so hieß es allgemein, hatte der Mann fast seine
ganze Familie an einem einzigen Abend verloren. Zumindest das stimmte.
    Einer konnte ihn jedoch fast jederzeit herbeizitieren: Mitch Yeager. Warren wusste mittlerweile, dass Yeager seine Stimmungen auslotete und zugleich dafür sorgte, dass Warren über den Stand der Dinge informiert war. Allerdings wusste Warren nicht, was Mitch Yeager mit ihm vorhatte. Als er ihn einmal direkt darauf ansprach, antwortete Yeager, Warren habe nichts zu befürchten, solange ihn nicht das Bedürfnis überkam, Anschuldigungen zu erheben, die er nicht beweisen konnte.
    Eines Tages

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