Totenruhe
lächelte. »Während du mit deinem eigenen Benehmen ja vollauf zufrieden sein kannst.«
Plötzlich müde geworden, setzte er sich neben sie aufs Sofa. »Nein, natürlich nicht.«
»Hast du dich bei ihr entschuldigt?«
»Ich hab’s versucht. Zweimal. Vielleicht erinnerst du dich, dass ich nur selten am Wochenende arbeite. Heute bin ich extra reingegangen, um mit ihr zu reden.«
»Und?«
»Für sie bin ich eine stumme Version des unsichtbaren Mannes.«
»Also ehrlich, Conn. Wo ist denn deine berühmte Hartnäckigkeit geblieben?«
»Der letzte O’Connor, der auf den Knien um Vergebung gefleht hat, ist im fünfzehnten Jahrhundert gestorben.«
»Ich würde gern mal sämtliche Generationen der O’Connor-Frauen seitdem befragen, ob das stimmt.«
Er lachte und schüttelte dann den Kopf. »Ich weiß nicht, warum mich Ms. Kelly dermaßen auf die Palme bringt.«
»Ich hätte da so eine Ahnung.«
»Hat sie dich auch auf die Palme gebracht, als sie deine Studentin war?«
»Überhaupt nicht. Sie und ihre Freundin Lydia waren zwei der besten, die ich in den letzten zehn Jahren gehabt habe.«
»Wirklich? Ich gebe zu, dass sie recht ordentlich schreibt, aber wir wissen doch beide, dass das bei jemandem, der nicht arbeiten will, verschwendet ist. Ja, eigentlich macht es das noch viel schlimmer - es ist vergeudetes Talent.«
»Jetzt kommen wir vielleicht wenigstens einem der Gründe näher, warum sie dich so ärgert. Dass sie Talent hat, weißt du ja schon.«
»Na und? Nichts, was ich bisher von ihr gelesen habe, weist darauf hin, dass sie imstande ist, einer Geschichte wirklich auf den Grund zu gehen.«
»Ach?« Helen griff nach einer Ausgabe des Express , die O’Connor als die vom selben Tag erkannte. Ein Beitrag von
ihm stand auf der Titelseite, doch Helen blätterte darüber hinweg, bis sie zu einem Artikel auf Seite fünf kam und ihn ihm hinhielt.
»Was?«
»Lies mal das über die Erhöhung der Hundesteuer.«
Er tat wie geheißen und blickte dann ungläubig zu ihr auf. »Das ist nicht von ihr.«
»Wenn ich gewettet hätte, hätte ich jetzt einen Haufen Geld gewonnen. Ist der Artikel gut?«
»Ja. Aber …«
»Er ist von ihr. Natürlich ist sie als Autorin nicht genannt, bei so einem Beitrag von einer neuen Reporterin fürs Vermischte. Sie schreibt eben keine Titelgeschichten wie du.«
»Das hat sie auch nicht verdient.«
»Nein, wahrscheinlich ist sie schon froh, dass Wrigley der Zweite sie nicht zu den Klatschseiten abgestellt hat. Aber dieser Artikel ist von ihr. Ich würde ihren Stil überall erkennen.«
Mit gerunzelter Stirn las er den Artikel noch einmal. »Darf ich mal telefonieren?«
Sie reichte ihm den Apparat.
Er wählte die Nummer der Redaktion und ließ sich mit der Lokalabteilung verbinden.
Helen lauschte amüsiert, als er sich bestätigen ließ, dass der Artikel von Irene Kelly verfasst worden war.
»Das begreife ich nicht«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte.
»Nein, wohl nicht.«
»Was soll das heißen?«
»Conn, wie alt warst du, als Jack dich unter seine Fittiche genommen hat?«
Er dachte an den Tag, als ihm Lillian Vanderveer einen Silberdollar geschenkt hatte. »Acht.«
»Findest du nicht, dass es höchste Zeit ist, das zurückzuzahlen?«
Einen Moment lang dachte er, sie habe seine Gedanken gelesen.
Als sie seine verwirrte Miene sah, sagte sie: »Du bist ein großzügiger Mensch, Conn. Ich könnte ein Dutzend Beispiele für deine Großzügigkeit nennen, ohne mich anstrengen zu müssen. Und dass du Kenny aufgezogen hast …«
»Kenny war vierzehn, als er zu mir gezogen ist, Helen. Man kann wohl kaum behaupten, dass ich ihn aufgezogen habe.«
»Darüber können wir uns ein andermal streiten. Ich spreche jetzt nicht über dein Privatleben, sondern über deinen Beruf. Wem hast du als Reporter weitergeholfen?«
Schweigend dachte er eine Weile darüber nach und stellte mit Unbehagen fest, dass er zwar hart gearbeitet hatte, um sich der Lektionen würdig zu erweisen, die ihm Jack erteilt hatte, er sich aber nie die Zeit genommen hatte, seinerseits weniger erfahrenen Reportern das Handwerk beizubringen - was Jack nicht nur bei ihm, sondern auch bei anderen getan hatte. Wenn er sich in der Redaktion umschaute, sah er jede Menge Männer, denen Jack geholfen hatte, unter anderem H. G., Mark Baker und John Walters.
Jack hatte während seines gesamten Berufslebens stets sein Fachwissen mit anderen geteilt und so schon lange als Lehrer fungiert, ehe er am College zu
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