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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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sie zu begrüßen.
    Wir wurden mit Auburn Sheffield, Warren Ducane und Kyle Yeager bekannt gemacht. Ich ging schnurstracks auf denjenigen zu, der mich am meisten interessierte: Auburn Sheffield.
    Nicht, dass die anderen nicht interessant gewesen wären. Kyle Yeager war eine Art niedlicher Clark-Kent-Verschnitt, und Warren Ducane wirkte auf mich wie ein Mann, der in mittleren Jahren merkt, dass ihm die Wurzeln fehlen. Aber Auburn - man bekommt nicht jeden Tag Gelegenheit, mit einem Mann wie ihm zu reden.
    In meiner Jugend hatte ich bereits die Geschichte seiner Rebellion gegen seine Familie gehört. Immerhin war sein Anwesen seiner Standhaftigkeit zu Ehren Auburn’s Stand genannt worden. Ja, es gab sogar eine idyllische Abzweigung auf der Straße zu Auburn’s Stand, die jeder kannte, der seine Jugend in Las Piernas verbracht hatte. Ein angesagter Ort zum Knutschen für die einheimische Jugend. Nicht dass jemals einer ein katholisches Mädchen wie mich dorthin mitgenommen hätte.
    Im Handumdrehen unterhielt mich Auburn mit kaum bekannten Tatsachen aus der Geschichte von Las Piernas, darunter jede Menge deftige Gemeinheiten über die Sheffields - offenbar war sein Onkel Hector ein gemeingefährlicher Irrer. Der Name Sheffield zierte eine Straße, ein Neubaugebiet, eine Bücherei, eine Grundschule und eine Reihe von Gebäuden in der Innenstadt. Seine Vorfahren hatten mit dem Verkauf von Speiseeis ein Vermögen verdient und waren, wie Auburn sagte, seitdem kalt und reich geblieben. Auburn musste mittlerweile an die siebzig sein, aber ich kannte eine Menge Leute, die halb so alt waren wie er und weniger Leben in sich hatten.
    Warren Ducane war mit O’Connor ins Gespräch vertieft, während dieser Drinks für die Neuankömmlinge mixte, und
Helen plauderte mit Lily, daher war es nicht weiter verwunderlich, dass sich Kyle Yeager zu uns gesellte. Auburn bezog ihn sogleich ins Gespräch mit ein.
    »Kyle hat gerade seinen Abschluss am Dartmouth College gemacht, Irene«, erklärte Auburn mit so viel Stolz, dass ich mich fragte, ob Kyle vielleicht sein Patensohn war.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich. »Was war denn Ihr Hauptfach?«
    Eine vertraute Stimme sagte: »Das ist aber mal eine originelle Frage.«
    O’Connor hatte ihnen ihre Drinks gemacht und reichte sie ihnen, während er diese Bemerkung von sich gab.
    Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief.
    »Es ist eine ganz normale Frage«, gab Kyle Yeager rasch zurück und lächelte mich an. »Ich beantworte sie gern, auch wenn Sie mich dann wahrscheinlich für einen Spinner halten. Mein Hauptfach war Informatik und mein Nebenfach Geographie. Wenn es nach mir gegangen wäre …«
    »Er ist zu bescheiden«, warf Auburn ein. »Er hat Ihnen nicht erzählt, dass man ihn jetzt am Tuck, dem prestigeträchtigen Institut für Betriebswirtschaft am Dartmouth College, aufgenommen hat.«
    »Da ist Ihr alter Herr ja sicher unheimlich stolz auf Sie, Kyle«, sagte O’Connor in einem Ton, den ich noch nie bei ihm gehört hatte. »Scharren Sie schon mit den Hufen, um demnächst bei Yeager Enterprises die Zügel zu übernehmen?«
    Rasch zog ein Anflug von Ärger über Kyles Miene, doch dann lächelte er. »Es wundert mich, dass ein Mann aus Ihrer Branche so wenig vom Stadtgespräch mitbekommt«, sagte er zu O’Connor - ruhig, wenn man ein gewisses kampflustiges Leuchten in seinen Augen ignorierte. »Ich bin unehelich geboren, daher weiß ich nicht, ob mein ›alter Herr‹ stolz wäre oder sich schämen würde, wenn er hört, was aus mir geworden ist - falls er überhaupt noch lebt.«

    »Ich wollte Sie nicht beleidigen …«
    »Aber natürlich wollten Sie mich beleidigen«, entgegnete Kyle im gleichen freundlichen Tonfall wie zuvor. »Genau wie ich Sie. Allerdings bin ich anscheinend ein bisschen besser informiert als Sie: Ich weiß nämlich, dass Sie Reporter beim Express sind und meinen Adoptivvater nie recht haben leiden können. Aber nur für den Fall, dass Sie einen Artikel vorbereiten - die Eignerschaft an Yeager Enterprises wird Mitch Yeager seinen leiblichen Kindern übergeben, nicht mir.«
    O’Connor lächelte ebenfalls, in meinen Augen aufrichtiger als Kyle. »Tja, das beweist nur, dass Mitch genauso dumm ist, wie ich immer dachte. Nein, nein, Sie brauchen sich nicht gleich wieder aufzuregen. Ms. Kelly ist sowieso schon wütend auf mich, und ich kann es nicht mit Ihrer ganzen Generation auf einmal aufnehmen. Aber nur damit Sie’s wissen, vom heutigen Abend dringt nichts an

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