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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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sich. »Haben Sie heute noch Dienst?«
    »Ich müsste seit einer halben Stunde im Maschinenraum sein.«
    »Dann los. Für heute sind wir fertig.«
    »Es kann ja niemand gewesen sein, der zur Mannschaft gehört, richtig?« Henning stand an der Kabinentür. »Was ich meine, ist … Markus war der Einzige, der von Bord gegangen war. Sonst sind wirklich alle an Bord geblieben. Ich habe alle beobachtet.« Er sah Malbek an, als erwarte er eine erlösende Antwort.
    »Ich finde das nicht sonderlich beruhigend«, sagte Malbek. »Wollen Sie sich so lange an Bord verstecken, bis wir den Mörder festgenommen haben? Aber wieso soll sich der Mörder für Sie interessieren?«
    Sein Gesicht verdüsterte sich. »Ich weiß es nicht. Aber ich habe übermorgen Urlaub für eine Woche.«
    »Dann können Sie Ihre Aussage zu Protokoll geben. Ich lass Ihnen eine Ladung schicken. Sie wohnen doch auch in Kiel, so steht es in Ihren Papieren.«
    »Ja. Wollen Sie noch hierbleiben?« Er sah Malbek irritiert an, der sich in der Koje ausstreckte. Vom Schornstein hörte man einen dumpfen Knall, der sich wie trockener Husten anhörte.
    »Ihr Maschinenraum ruft!«

9.
     
    Malbek trat ans Bullauge. Der Blick reichte weit in die Dithmarscher Südermarsch. Er schätzte die Sicht auf zwanzig bis dreißig Kilometer. Er glaubte, Dächer und Kirchturm von Marne zu erkennen. Weiter östlich glitt Michaelisdonn vorbei. Auf einem einsamen Hügel stand eine Mühle, wie ein winziges Spielzeug, dessen Flügel trotz des auffrischenden Windes stillstanden. Hinter dem Horizont lag Sylt. Die Wolkenfetzen waren zu einer dunklen Wolkenwand verschmolzen, die von der Nordsee eine blassgraue Regenschleppe unter sich hertrieb.
    Malbek machte seine Runde im »Turm«, wie er den Aufbau am Heck für sich nannte. Im Turm waren die Decks A bis E durch den Niedergang miteinander verbunden. Wenn jemand den Niedergang betrat, so hörte man das auf jedem Deck. In der Messe, der Kantine des Schiffes, und in einer Kabine wurden die Befragungen durchgeführt. Alle Befragten waren übermüdet und hatten Probleme, sich zu konzentrieren. Die meisten Fragen mussten zwei- oder dreimal gestellt und jedes Mal übersetzt werden. Malbek setzte sich bei jeder Vernehmung eine Zeit lang dazu, hakte ein, erhöhte den Druck, milderte ihn, um ihn dann wieder zu verschärfen.
    Als sie fertig waren, traf sich Malbek mit Vehrs und Harder zu einer Besprechung. Die Befragungen waren so verlaufen, wie Malbek befürchtet hatte. Mannschaft, Offiziere und der Kapitän lobten den Verstorbenen in den Himmel. Wo er denn auch hoffentlich war. Markus Peters habe immer Zeit für ein freundschaftliches Gespräch und gute Ratschläge für das Leben in fremden Ländern gehabt, seine fachlichen Fähigkeiten seien überdurchschnittlich gewesen, der gute Kontakt zu jedem Einzelnen der Mannschaft einmalig, überhaupt sei er freundlich und still, gleichzeitig stets zu einer netten Plauderei oder der Diskussion von Problemen bereit gewesen. Und natürlich immer zuverlässig und belastbar.
    Die Lobpreisungen wurden manchmal vom Röhren des Schiffsdiesels verzerrt, der direkt unter dem Turm arbeitete und vom Schornstein an den ganzen Turm weitergegeben wurde, obwohl sich das Schiff nur mit acht Knoten durch den Kanal schob.
    Es war offensichtlich, dass sich die Besatzung abgesprochen hatte. Zu welchem Zeitpunkt die Nachricht von Peters’ Tod die Runde gemacht hatte, ließ sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht genau herausfinden. Vorgestern, gestern, heute oder vor einer Stunde, hieß es.
    Bei Rüsterbergen gingen Vehrs, Harder und der Dolmetscher nach fast vier Stunden schlecht gelaunt und hungrig von Bord, um sich von den Kollegen der Wasserschutzpolizeistation mit dem Streifenboot nach Kiel fahren zu lassen. Der Kapitän hatte beim Umsteigen über die Lotsenleiter die Geschwindigkeit »auf ein Minimum gedrosselt, um den seemännisch unerfahrenen Herren Kriminalbeamten den Abstieg zu erleichtern«, wie er sich mehrdeutig ausdrückte. Er schien es sehr zu bedauern, dass in diesem Moment Windstille herrschte.
    Malbek wollte bis zur Ausgangsschleuse Holtenau an Bord bleiben. Der Kapitän ging ohne Kommentar in seine Kajüte und murmelte etwas von Papierkram. Auf der Brücke erschien der Erste Offizier als Vertretung.
    Nach einer kurzen Übergabe durch den Kollegen aus Brunsbüttel übernahm der Lotse der Lotsenbrüderschaft Holtenau das Schiff. Er erschien im Gegensatz zum Ersten Lotsen mit Lotsenmütze und langem dunklem

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