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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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ich.« Er beugte sich prüfend vor, machte einen Ausfallschritt zur Instrumententafel, und mit einem leisen »Das geht mir etwas zu schnell« zog er einen schwarzen Hebel ein winziges Stück zurück.
    Beim Einlaufen in die Schleuse Holtenau sah Malbek durch das Fenster der Backbordnock zum Reedereigebäude auf der Anhöhe. Dabei fiel ihm auf, dass die Kommandobrücke der »Christian Molsen« etwas höher war als das Fenster des Arbeitszimmers des Reeders Axel Molsen. Als sein Großvater das Haus erbauen ließ, konnte er sicherlich noch auf seine Schiffe hinunterschauen. Das war lange her. Möglicherweise war es nicht das Einzige, was Axel Molsen über den Kopf gewachsen war.
    Weil nur der Gang an Bord die Wahrheit zeigt.
    Die Schlechtwetterfront war mitgefahren. Die Sturmböen trieben Regenschleier über Kiel.

10.
     
    Malbek ließ sich von Kommissarin Hoyer an der Schleuse mit dem Dienstwagen abholen. Er setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Hat Vehrs etwas von der Wasserschutzpolizei über die angelnden Kopfhörer erfahren? Ich meine, hat er Ihnen überhaupt davon erzählt?«
    »Er sei immer wieder weiterverbunden worden, bis ihm dann jemand gesagt hat, man würde zurückrufen. Sie sind zu der von Ihnen beschriebenen Stelle gefahren, aber da war niemand. Ein leerer Plastikbecher lag in einem Busch und zertretenes Gras, das war alles.«
    »Wie geht es Dörte Schneider?«, fragte er.
    »Mein Bericht über die Befragung des Zeugen Winfried Geerdsen, Personalchef der Reederei Molsen, liegt auf dem Rücksitz«, sagte sie, so, als ob sie seine Frage nicht gehört hätte.
    Als er versuchte, mit dem linken Arm blind auf dem Rücksitz den Bericht zu ertasten, sah er Kommissarin Hoyer das erste Mal bewusst im Profil. Hinter den Ohren kräuselten sich ihre ansonsten halblangen, glatten Haare zu winzigen Löckchen.
    Er blätterte im Bericht, ohne etwas zu lesen. »Sie meinen also, ich hätte kein Recht, nach dem Gesundheitszustand von Frau Schneider zu fragen. Ich sollte gefälligst selbst in der Klinik anrufen. Oder sie besuchen. Haben Sie Dörte Schneider besucht?«
    Sie schwieg. Malbek bemerkte, dass sie im Verkehrskreuz des Olof-Palme-Damms auf Höhe des Holstein-Stadions zweimal die falsche Ausfahrt genommen hatte. Der Scheibenwischer kämpfte wimmernd gegen den prasselnden Regen. Sie würden eine halbe Stunde länger zur Dienststelle am Mühlenweg brauchen.
    »Erzählen Sie mir, was in Ihrem Bericht drinsteht.« Malbek schloss den Hefter.
    Sie begann damit, dass Geerdsen etwas ausstrahle, was sie an eine alte Kommode erinnere, irgendwie an Inventar. Außerdem wirke er unkonzentriert. Sie sei sich aber nicht ganz sicher, ob das Letztere nur gespielt war. Bei der Frage nach der wirtschaftlichen Situation der Werft habe er sich mehrfach an der Nase und dem Kinn gerieben und umständlich erklärt, dass die Werft gut aufgestellt sei. Konkretes sei ihm nicht zu entlocken gewesen. Er habe regelrecht gemauert. Er habe plötzlich das Thema gewechselt und ihr eine Mail gezeigt, die Markus Peters von Bord der »Christian Molsen« geschrieben hätte. Darin hatte Markus Peters sich darüber beschwert, dass er auf dem Schiff nicht das lerne, was im Ausbildungsplan stehe und ihn in der Prüfung zum Schiffsmechaniker erwarte. Er hätte Angst gehabt, dass er die Prüfung nicht schafft, und überlegt, ob er die Reederei wechseln sollte. Danach hätte ihn Geerdsen an Bord angerufen und zu einem Gespräch ins Personalbüro der Reederei gebeten. Das von beiden unterschriebene Gesprächsprotokoll hatte Geerdsen Hoyer in Kopie ausgehändigt, und es lag ihrem Bericht bei. Darin war festgehalten, dass die Ausbildung an Bord verbessert würde, das hieß weniger Schiffsreinigung und mehr Ausbildung im Maschinenraum. Das Protokoll war vor etwa drei Monaten unterzeichnet worden.
    »Sind Harder und Vehrs darüber informiert?«
    »Harder hat sich den Bericht von meinem Schreibtisch genommen«, sagte sie bissig.
    »Wie haben Sie reagiert?«
    »Er hat mir gesagt, dass es so nicht ginge. Es klinge ein wenig nach Schulaufsatz. Er hat mir Tipps gegeben, es umzuschreiben.«
    »Ich fragte, wie Sie reagiert haben.«
    »Gar nicht.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Malbek. Die Lichter der Stadt tanzten auf ihrem Gesicht.
    »Ich habe nur gelächelt, glaube ich«, sagte sie ernst.
    »Ich hoffe, Sie haben ihn dabei nicht angesehen«, sagte Malbek.
    Die nächste Ampel stand auf Rot. Sie sah Malbek an.
    »Genau das meine ich«, murmelte Malbek. Immerhin gerade so

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