Totenschleuse
gelesen …«, begann Hoyer zögernd.
»Ja?«
»Die hat also ursprünglich in der Boutique der Frau Bönig gestanden, richtig?«
»Richtig.«
»Dann hat ihr Mann sie im Haus haben wollen.«
»Richtig.«
»Wieso lag die Puppe neben dem Toten? Hat er sie in den Keller mitgenommen? Oder lag sie schon da? Im Bericht stand nur, dass er sie vor Monaten aus dem Laden ins Haus geholt und vor ein Fenster gestellt hätte. Frau Bönig sagte, er hätte perverse Neigungen. Hat er sie im Haus denn mit sich herumgetragen? Die Puppe, meine ich.«
»Ich habe das auch so in Lüthjes Gedächtnisprotokoll gelesen, und ich finde, Sie haben recht. Da fehlt etwas. Aber wir dürfen nicht vergessen, das Gedächtnisprotokoll ist keine protokollierte Befragung. Ich werde mir ansehen, ob Manuela Bönig sich von ihrem behaupteten Schock erholt hat. Im Privatsanatorium Molsen. Und nicht zu vergessen: Lüllmann ist der Exfreund der Tochter des Reeders Molsen und Geschäftspartner des toten Frank Bönig und des Reeders Axel Molsen. Da werde ich auch noch mal nachbohren.«
»Die Schmauchspuren, die an Peters’ Leiche gefunden wurden … im Bericht der Kriminaltechnik steht, dass sie keine Marker des Treibsatzes gefunden hätten. Es war also keine moderne Munition, die uns einen Rückschluss auf die Herkunft geben könnte. Ich weiß, wir haben schon darüber gesprochen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter diese Munition in einer modernen Waffe abgefeuert hat, ist gering. Es muss eine Waffe alter Bauart sein. Könnte die Waffe ein Sammlerstück sein?«
»Ich könnte mir Molsen als Waffensammler gut vorstellen«, antwortete Malbek. »Nein, könnte ich nicht. Sammelt er überhaupt etwas? Schiffmodelle vielleicht. Waffenschränke habe ich bei ihm bisher nicht entdeckt.«
»Wie sieht es da aus in seinem Sylter Haus?«
»Die Inneneinrichtung? Anmutung von Sylter Sand. Der Teppich, die Vorhänge, die Sesselgarnitur, alles Ton in Ton. Gähnende Langeweile. Nichts Traditionelles. Ein Widerspruch zu seiner behandlungsbedürftigen Verehrung für seinen Großvater.«
»Großvater?«
»Der Firmengründer Christian Molsen. Das Fondsschiff ist nach ihm benannt. Und in seinem Arbeitszimmer hängt ein Porträt von ihm. In Öl.«
»Sie fahren untertourig.« Sie sah auf den Schaltknüppel.
»Ich bin meinen Ford Diesel gewohnt.« Widerwillig schaltete er einen Gang höher.
»Hören Sie? Jetzt läuft er runder!«, sagte Hoyer.
»Meinen Sie nicht, man sollte uns eine Automatik spendieren?«, fragte Malbek.
»Anderes Thema«, sagte Hoyer. »Manuela Bönig. Jetzt wohnt sie bei ihm. Sie haben sie doch beide erlebt. Passen die zusammen?«
»Das scheint da kein Thema zu sein. Er hat ihr als ritterlicher Freund Zuflucht in seinem Haus gewährt.«
»Ich höre heraus, dass Sie selbst nicht daran glauben. Also, noch mal: Passen die beiden zusammen?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
»Kennen Sie den Spruch: Wer ein Igel ist, muss darauf achten, dass auch seine Frau ein Igel ist.«
Jette. Der Traum. Malbek verriss vor Schreck den Lenker ein winziges Stück.
»Wir sind auf einer Brücke«, sagte Hoyer und klammerte sich am Sitz fest.
»Ja natürlich, Sie haben recht, Frau Hoyer. Okay, ich kann mir die beiden weder als Igelpaar noch als Gummibärchenpaar vorstellen. Übrigens, ich soll sie von Dörte Schneider grüßen.«
»Ach ja?«, machte Hoyer.
Malbek ärgerte sich über Hoyer und über sich. Aber was hatte er erwartet? Dass Hoyer ihm einen Kuss auf die Wange schmatzte und sagte: »Ich bin stolz auf dich«? Oder ein »Ich wusste, dass Sie über Ihren Schatten springen können«?
»Es geht ihr besser«, sagte Malbek. »Ich bin mit ihr im Park neben der Klinik spazieren gegangen. Man hat Borderline bei ihr diagnostiziert.«
»Stimmt was nicht?«, fragte Hoyer. Malbek hatte sich für einen Augenblick ins Haar gegriffen. Wie immer, wenn er versuchte, sich auf mehrere Aufgaben zu konzentrieren. Jette hatte das irgendwann mal erkannt. Kommissarin Hoyer soeben auch.
»Ich hab nur nachgedacht. Frau Hoyer, fahren Sie mit Fotos von Lüllmann und Bönig zum Kneipenrestaurant ›Weber‹ am Adolfplatz und fragen Sie nach Petra Lantau.« Er griff in seine Jackentasche und gab ihr die Fotos. »Nein, besser, Sie suchen einfach nach einer eleganten, perfekten Kellnerin. Sie ist täglich von zwölf bis zwölf da. Sie und Markus Peters haben einen der Männer auf dem Foto auf der Chefetage in der Reederei gesehen. Bönig oder Lüllmann. Lassen Sie sich das noch
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