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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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Metallrahmen und ein leistungsstarker Ventilator sorgten dafür, dass man atmen konnte, obwohl er eine Zigarre nach der anderen rauchte. So sagte man jedenfalls. Malbek aber sah nur blitzblanke Aschenbecher, und die Tischstaubsauger mit USB-Anschluss standen fein säuberlich in Reih und Glied auf einer Fensterbank, als müssten sie gelüftet werden.
    »Lüthje hat mich auf Ihre empfindliche Nase aufmerksam gemacht«, sagte Frerksen, der Malbeks Blicke bemerkt hatte.
    Malbek fasste sich spontan an die Nase. Die Kratzer waren schon gut verheilt. Aber die hatte Lüthje ja auch nicht gemeint, sondern seine Synästhesie.
    »Haben Sie das Notebook von Schlömer aus der Mordsache Peters schon?«, fragte Malbek.
    »Ja, der Kollege Vehrs hat es vorhin zur Behandlung gebracht. Ich hab schon mal reingesehen. Obwohl da noch mehr im Wartezimmer sitzen.« Er wies zu einem Wandregal, in dem sich ein Dutzend Notebooks, Laptops und diverse bereits geöffnete Untertisch-Chassis und ausgebaute Festplatten befanden. Alles fein säuberlich mit einer Art Gepäckzettel an einem Draht versehen. Es erinnerte Malbek an die Namensschilder, die an den großen Zeh der Leichen in der Gerichtsmedizin gebunden waren.
    »Der Eigentümer des Notebooks hat sich viel Mühe gegeben, die Dateien nicht einfach zum Überschreiben freizugeben, sondern hat sie wirklich geschreddert«, sagte Frerksen. »In letzter Zeit wurde er aber etwas nachlässig und hat hier und da Verlaufsprotokolle vergessen. Seine Korrespondenz hat er unter dem originellen Nutzernamen ›Spiderman1984‹ geführt. Solche Namen suchen sich nur Leute aus, die bis in die Nächte hinein in absurden Diskussionsforen und Onlinespielen zu Hause sind.«
    »Mit wem hat er korrespondiert?«
    »Die einzig interessanten Kommunikationsspuren betreffen ›frankundfrei‹, in einem Wort. So lautet der Aliasname der Mailadresse, die Sie wahrscheinlich interessiert. Der Klarname der Adresse lautet ›Frank Bönig‹. Ist Bestandteil der Website des Herrn Bönig. Kommen Sie, ich zeig Ihnen was.«
    Malbek lief ihm in einen Nebenraum hinterher, in dem es rauschte. Offensichtlich waren es die Lüfter der miteinander verkabelten Computer, die unter und auf Tischen und Regalen ihre geheimnisvollen Überlegungen diskutierten.
    »Als Herr Lüthje Sie ankündigte, hat er, glaube ich, den Namen Bönig erwähnt. Ein Verdächtiger, richtig?«
    »Ja, leider auch schon tot.«
    »Tja, so ist das Leben«, antwortete Frerksen, als habe er Malbek nicht richtig zugehört. »Hier. Das ist, oder war, die Homepage des Herrn Bönig. Investmentberater, Unternehmensberater und so weiter.« Er markierte mit der Maus eine Zahlenreihe auf dem Computerbildschirm, die mit einem Bindestrich und einem F endete. »Ich hatte mir eine Kopie der gesamten Website gesaugt, weil man nie weiß, wie lange so was im Netz steht. Das hier ist eine untergeordnete Seite, die man auf der Homepage nicht sofort findet.«
     
    … Die Referenzen dokumentieren unsere Erfahrung in der Konzeption und der Vermittlung von Schiffsbeteiligungen. 12365-F. Wir informieren Sie über Ihr steuerliches Ergebnis …
     
    »Man denkt doch spontan, dass das zum Text gehört. Eine Art von Schiffsbeteiligung«, sagte Malbek. »Oder eine Bezeichnung für ein steuerliches Ergebnis. Aber bei längerem Nachdenken … macht es da überhaupt keinen Sinn!«
    »Ich hab auch im Quellcode der Website nachgesehen. Dieser Code, und dafür halte ich es, besteht wirklich nur aus den Zeichen, die wir lesen können. Dahinter verbirgt sich kein Link, kein Schalter, hat nichts mit der Programmierung zu tun.«
    »Komisch, dass Vehrs das nicht aufgefallen ist. Der hat sich diese Homepage doch auch genau angesehen.«
    »Nein, das ist überhaupt nicht komisch. Ich vermute, er hat sich die Homepage zu einem Zeitpunkt angesehen, als dieser Code im Text noch nicht eingetragen war.« Frerksen schaltete einen weiteren Bildschirm ein, der danebenstand. »Hier sehen Sie die Seite nach dem Stand von sieben Uhr fünfzehn. Der Code ist aus dem Text verschwunden. Ein unbefangener Leser denkt: Oh, die haben den Fehler bemerkt und gelöscht, da ist denen wohl ein bisschen Buchstabensalat zwischen Text gekleckert. Wollen Sie meine Theorie hören?«
    »Was glauben Sie?«
    »Eine Nachricht, die jeder Besucher der Website sehen könnte, aber nicht als solche begreift, ist besser als jede verschlüsselte Mail. Die fällt auf wie ein weißer Rabe. Und dies ist wie ein Sandkorn am Strand des Textes.

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