Totenschleuse
eine neue Mailadresse registriert, sicherheitshalber mit der Adresse und den Daten von Markus. Bönig hat am nächsten Tag geantwortet und einen Terminvorschlag für eine Besprechung gemacht. Und ich hab ihm geschrieben, dass ich ihn bei gefährlichen Geschäften in Klaipëda erwischt hätte. Er hat das natürlich bestritten. Und dann war komischerweise Schluss. Wir hatten für die Geldübergabe noch nicht einmal einen Termin vereinbart!«, sagte er vorwurfsvoll. Als wäre Bönig ein Versicherungsvertreter, der sich mit ihm wegen einer Hausratversicherung in Verbindung setzen sollte.
»Zwei oder drei Tage später ist Markus ermordet worden«, setzte er hinzu, als ob er Bönig eine Vertragsverletzung vorwerfe.
»Bönig ist vorgestern tot aufgefunden worden«, sagte Malbek.
Über Schlömers Gesicht glitt innerhalb einer Sekunde Schrecken, dann für einen kurzen Moment Erleichterung, die schließlich in blankes Entsetzen abstürzte.
»Ja, das sehe ich auch so, Henning. Durch den Tod des mutmaßlichen Mörders ist dein Problem nicht aus der Welt. Die Bedrohung ist sogar näher gerückt und jetzt ungefähr doppelt so groß. Denn jetzt gibt es schon zwei Tote.«
»Wer hat Bönig ermordet?«, fragte er, heiser vor Angst.
»Wir wissen es nicht. Hast du einen Verdacht?«
»Sein Partner? Der Lüllmann. Oder der Molsen. Oder einer von den anderen in dem Zimmer in Klaipëda.«
»Ja, er soll viele Feinde gehabt haben.«
»Hat man ihn … auch erschossen? So wie Markus?«
»Er lag mit gebrochenem Genick an der Treppe zu seinem Weinkeller.«
Henning starrte Malbek an, als habe der in einer fremden Sprache gesprochen.
»Hast du Markus etwas von deinem Erpressungsplan erzählt? Und dass du seinen Namen benutzen wolltest?«
»Nein, der hätte nur Stress gemacht. Dabei wollte ich ihm doch die Hälfte von dem Geld abgeben.«
Er sah Malbek so treuherzig an, als könne dies seine Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen.
»Freiwillig gezahlte Leihgebühr für die Identität deines Freundes? Wie viel hast du von Bönig gefordert?«
»Fünfzigtausend«, sagte er schüchtern.
»Was? So wenig?«
»Ich fand, das klang vernünftig. Der Bönig könnte das doch als Bankmensch mal eben abdrücken. Das machen die doch öfter, nur um Ruhe zu haben.«
Henning war nach der Nachricht vom Tode Bönigs in sich zusammengefallen. Vielleicht hatte auch die Dose »Exlimit« ein bisschen nachgeholfen. Am Haaransatz hatten sich Schweißperlen gebildet, die in schmalen Rinnsalen ihren Weg über sein bleiches Gesicht suchten. Die Atmung war unregelmäßig. Tobsuchtsanfall oder Kollaps waren nicht ausgeschlossen. Oder beides.
»Henning, wir nehmen dich jetzt mit. Und mein Kollege Vehrs, der die ganze Zeit aufgepasst hat, wird mit dir alles noch einmal durchgehen. Danach werden wir entscheiden, wo wir dich unterbringen. Wir werden sehen, was der Staatsanwalt sagt. Auf keinen Fall kannst du hierbleiben. Inzwischen weiß es sicher schon die ganze Nachbarschaft, dass du Besuch von der Polizei hattest, und fragt sich, was in Käpt’n Stegemanns Garten los ist. Wer weiß, wer noch davon hört.«
»Ich meine, ich … ich hab doch nicht …«, sagte Henning und bekam einen Hustenanfall.
»Junge, Junge, hättest du mir das bloß gleich erzählt! Es ist eine versuchte Erpressung, da beißt die Maus keinen Faden ab. Falls du keine Vorstrafen hast, ist dir zumindest eine saftige Bewährungsstrafe sicher. An dem Rest hast du allerdings lebenslang dein Päckchen zu tragen. Also, auf geht’s. Kommst du freiwillig mit?«
23.
Nachdem Schlömer seine persönlichen Dinge eingepackt hatte, fuhren Hoyer und Vehrs mit ihm in die Dienststelle. Vehrs saß neben Schlömer auf dem Rücksitz. Sicherheitshalber.
Malbek setzte sich in seinen Dienstwagen und rieb sich die Schläfe.
Seit gestern hatte er keinen Appetit mehr, und seit heute Mittag war sogar der Hunger ausgeblieben. Er wusste, dass es das Thema Jette war, das ihn da umtrieb und ihn immer wieder listig zu einer vorschnellen Entscheidung überreden wollte. Keine guten Voraussetzungen für ein Sylter Abendessen. Aber wie sagte man so schön: Der Appetit kommt mit dem Essen.
Malbek fuhr langsam in Richtung Hochbrücke und bog vorher rechts nach Holtenau ab. Er rief Lüthje an.
»Du und Personalchef Geerdsen von der Reederei Molsen habt etwas Wichtiges gemeinsam«, sagte Malbek.
»Er hat vermutlich auch schon graue Haare«, sagte Lüthje in gelangweiltem Tonfall.
»Das weiß ich nicht, ich
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