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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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sich die Fahrt von Stralsund nach Kloster nicht ein zweites Mal zugemutet und die Ermittlungen in Böhms Hände gelegt. Rechts von ihm Malek, den Stift über dem geöffneten Notizbuch. Daneben der mehr am übervollen Birnbaum hinter Böhm interessierte Professor, mit dem Leiter der Spurensicherung darüber im Gespräch, wie man ganze Williams Christ am besten in Flaschen bekam. Kästner seitwärts am Tisch, Bein und Krücke weit von sich gestreckt. Schließlich Pieplow, der in die Herbstsonne blinzelte, die sich allmählich über die Baumkronen schob.
    Böhm räusperte sich, sagte noch einmal »also dann« und fasste den Stand der Ermittlungen zusammen. »Viel hat sich bisher nicht ergeben, aber wir stehen ja auch erst am Anfang. Allerdings mit ziemlich schlechter Ausgangslage. Vermisstenmeldungen aus dieser Zeit existieren nicht mehr. Malek hat das geprüft. Der einzige konkrete Anhaltspunkt ist das Haus. Der Katasterauszug gibt das Baujahr mit 1939 an, Umbaugenehmigungen wurden danach nicht beantragt, und der Grundriss stimmt mit dem Erstantrag überein. Wir haben es also mit einem über sechzig Jahre zurückliegenden Todesfall zu tun, und es dürfte schwierig werden, dazu noch Zeugenaussagen zu bekommen.«
    »Wer weiß, wer weiß«, rief der Professor fröhlich dazwischen. »So gesund, wie sich’s hier lebt, könnten die Alten noch erstaunlich gut beieinander sein, und das menschliche Gedächtnis ist eine wunderbare Konstruktion. Je älter man wird, umso genauer ist die Erinnerung an die Jugend. Ich weiß, wovon ich rede, mein Lieber! Was ich heute erledigen will, muss ich aufschreiben, aber fragen Sie mich mal, was ich vor vierzig Jahren gemacht habe!«
    Böhm lächelte gequält, ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen. Er griff nach ein paar Bogen Papier und warf sie vor Pieplow auf den Tisch.
    »Das sind die Namen der über achtzigjährigen Hiddenseer, mit denen Sie sich befassen werden. Reden Sie mit den Leuten. Finden Sie heraus, was sie über diese Schlesingers wissen. Oder über den Hausbau. Ob jemand auf unerklärliche Weise verschwunden ist. Ob es sonst irgendwelche Ungereimtheiten gab. Und Sie«, er wandte sich an Kästner, »Sie werden in Ihrer Dienststelle für Hinweise aus der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Es wird sich herumsprechen, wonach wir suchen. Gut möglich, dass jemand etwas dazu zu sagen hat und sich mit uns in Verbindung setzen will. Das werden Sie wohl trotz Handicap bewältigen, nehme ich an. Es versteht sich von selbst, dass alle Gesprächsnotizen und Protokolle umgehend an mich weitergeleitet werden. Ich erwarte, dass hier zur Abwechslung mal wieder gearbeitet wird!«
    Mit einem Ruck setzte Pieplow sich auf, als sei er angerempelt worden. Malek blickte betreten in sein Notizbuch, und der Professor hob missbilligend die Augenbrauen.
    Kästner packte nur fest den Griff seiner Krücke, aber er sagte kein Wort. Er erhob sich, nickte einen vagen Gruß in die Runde und humpelte davon.
    Pieplow stand auf und griff nach der Liste. »War’s das?« Er musste sich überwinden, überhaupt etwas zu sagen.
    »Nicht ganz. Es fehlt noch Ihr Bericht.« Böhm sah ihn herausfordernd an.
    »Welcher Bericht?«
    Böhm atmete tief ein wie unter einer schweren Bürde. »Wie wär’s mit dem über die Aussagen von Rieke Voss?«
    »Sie meinen die Personendaten? Die habe ich …«
    »Hören Sie auf, Mann! Die hatten wir schon, bevor Sie überhaupt losgelaufen sind! Ich will wissen, was sie sonst noch gesagt hat.«
    Pieplow brachte ein gleichmütiges Schulterzucken zustande. »Nichts, was für die Ermittlungen wichtig wäre.«
    »Das zu beurteilen müssen Sie schon mir überlassen. Also, was hat sie gesagt?«
    »Nur, dass ihr das Apartment gefällt«, sagte Pieplow so gedehnt, als warte er auf etwas, »und dass Rotwein gut gegen Albträume ist. Dass …«
    Mit einem »Ich fass es nicht« und einer ungeduldigen Handbewegung fiel Böhm Pieplow ins Wort. »Es wäre schön, wenn Sie wenigstens aus den Alten etwas Sachdienliches rausholen könnten.«
    »Ist klar«, sagte Pieplow und setzte dabei ein Gesicht auf, von dem er wusste, dass es Menschen wie Böhm zur Weißglut brachte. Leer und schlicht, mit einem so hauchdünnen Anschein von Gehorsam, dass er seine Verachtung nicht wirklich verbarg.
    Es war Zeit, dass er hier wegkam. Schließlich liefen auf dem Grundstück genug andere Leute herum, vor denen Böhm sich aufspielen konnte.
    Aber der hatte noch eine Karte im Ärmel, mit der Pieplow nicht

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