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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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und zog dazu die Augenbrauen kaum merklich zusammen, als quälte sie ein lästiger Kopfschmerz.
    Sie war eben an den falschen Mann geraten. Einen, mit dem ihr Vater sie verheiratet hatte, damit sie noch unter die Haube kam, obwohl sie schon auf die dreißig zuging.
    »Stell dir das vor!« Marga war so empört, dass ihr hochgeschnürter Matronenbusen wogte. »Clara will arbeiten. Wozu, frage ich dich! Es gibt genug zu tun, wobei sie sich nützlich machen kann.«
    »Sie will sich vielleicht nicht nur irgendwie beschäftigen, sondern arbeiten wie andere auch, Geld verdienen wie Luise oder Lissi«, gab Mutter zu bedenken.
    »Sie ist aber nicht Lissi!«, brauste Magda auf. »Sie hat es nicht nötig, für andere die Drecksarbeit zu machen. Ihr Vater kann gut genug für sie sorgen.«
    Was man von Lissis Vater tatsächlich nicht sagen konnte. Seit ihm bei einem Mastbruch der Arm zerschlagen worden war, brachte er die Familie mehr schlecht als recht mit Fuhrdiensten durch, und jeder im Dorf wusste, wie dringend Lissis Verdienst als Küchenhilfe bei Freese gebraucht wurde.
    Bei uns stand es gerade so viel besser, dass wir einigermaßen über die Runden kamen. Das eine Jahr besser, das andere schlechter, je nachdem wie viel gebaut und wie oft ein Zimmermann gebraucht wurde. Wäre nicht Mutters Lohn von der Post gewesen, wo sie Briefe sortierte und mit einem freundlichen, immer ein wenig verlegenen Lächeln am Schalter saß, wir hätten es wohl kaum besser gehabt als Lissi und ihre Familie.
    Clara stritt nicht mit ihrer Mutter, sondern hüllte sich in gekränkte Einsilbigkeit und setzte damit schließlich ihren Willen durch. Als Jeschke eine Saisonkraft suchte, gab Marga Timpe klein bei. Andenken, Accessoires und fotografisches Zubehör verkaufen, das machte eindeutig mehr her als Böden schrubben und Betten machen.
    »Es blieb mir ja nichts anderes übrig«, klagte sie seufzend und machte dazu ihr leidendes Kopfschmerzgesicht, weil es ein Kreuz war mit diesem Kind, das schöner zu werden versprach, als sie selbst je gewesen war, aber leider, leider das Launische ihres Vaters geerbt hatte. »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Aber wir werden noch sehen, wohin es führt, wenn sie nicht auf ihre Mutter hört.«
    Noch heute wünschte ich, ihr selbstzufriedenes Orakel hätte sich nicht auf so furchtbare Weise erfüllt.

6
    »Weißt du, der Wievielte du heute bist? Der Fünfte! Habt ihr denn nichts anderes zu tun, oder was? Fehlt nur noch, dass ihr alle Mann hoch zum Köm-Saufen herkommt. Am besten bringst du nächstes Mal die andern gleich mit. Een und Mall und wer sich da sonst noch langweilt!« Kästner empörte sich laut genug, um durch das offene Fenster auch den Hof zu beschallen. Was ihm entgegnet wurde, konnte Pieplow nicht hören. Erst wieder Kästner: »Das ist hier eine Polizeistation und kein Auskunftsbüro. Ihr sollt uns sagen, was ihr wisst, nicht umgekehrt! Du glaubst doch nicht allen Ernstes, du erfährst von mir etwas über den Stand der Ermittlungen? Mal ganz abgesehen davon, dass es noch gar nichts zu erfahren gibt!«
    Pieplow schmunzelte. Keine Frage, Kästner hatte sich von Böhms Rüffel erholt.
    »Also, was weißt du über diese Geschichte?« Immer noch laut, aber hörbar freundlicher befragte er sein Gegenüber, als Pieplow den Wachraum betrat und an der Tür stehen blieb. Mit einem genervten Augenrollen schwenkte Kästners Blick von dem Alten, der vor ihm saß, zu Pieplow hinüber.
    »Ich?« Weil Erwin Schulte sich umdrehte, schien seine Frage an Pieplow gerichtet.
    »Natürlich du, wer denn sonst?« Ruppig holte sich Kästner die Aufmerksamkeit des Alten zurück.
    »Wieso soll ich was darüber wissen? Um das, was die in Kloster machen, haben wir uns nie viel gekümmert.« Es klang, als liege das Nachbardorf eine Tagesreise entfernt.
    »Ach nee! Dafür, dass es dich nicht interessiert, bist du aber ziemlich neugierig, Erwin.« Jetzt grinste Kästner.
    Erwin Schulte erhob sich umständlich. »Hätt’ ja sein können, dass sich was ergibt«, brummte er. »Manchmal merkt man ja erst beim Reden, was man so weiß.«
    »Auch wieder wahr.« Kästner nickte versöhnlich. »Kannst ja wieder vorbeikommen, wenn dir doch noch was einfällt.«
    Pieplow hätte seine Dienstmütze darauf wetten mögen, dass der Alte zufrieden war. Bisschen plaudern, ein paar kernige Sätze unter Männern und genug Informationen für den Schnack an der nächsten Ecke. Was wollte man mehr.
    »So ging das den ganzen Nachmittag«,

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