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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Pullunder und ein kurzärmeliges Hemd mit offenem Kragen.
    »Mit Richard? Nichts. Ich meine, aus dem hat nach dem Krieg nichts mehr werden können, weil er gefallen ist. Bei drei Söhnen wenig Blutzoll, wenn Sie mich fragen. Wenn man bedenkt, wie es anderen Familien ergangen ist.«
    Zwölf Namen ließen sich zuordnen. Für eine junge Frau, etwas abseits der Gruppe, schon fast an der Treppe hinauf zum Hotel, fand sich keiner.
    Rieke Voss hob bedauernd die Schultern. »Ein Hausmädchen, nehme ich an, aber ich weiß nicht mal, ob das unserer Familie oder eines vom Hotel. Das wird sich wohl auch nicht mehr herausfinden lassen.«
    »Käme auf einen Versuch an«, sagte Pieplow zögernd. »Aber dazu bräuchte ich das Bild.«
    »Von mir aus. Wenn Sie versprechen, dass ich es zurückbekomme.«
    »Selbstverständlich«, versicherte er.

7
    Eine Glühbirne im Flur und das helle Licht dieser sonnigen Herbsttage reichten für die Präzisionsarbeit, die ihnen bevorstand, nicht aus. Also hatten die Männer der Spurensicherung so viele Scheinwerfer aufgestellt, dass Pieplow die Szene eher an ein Film-Set als an Polizeiarbeit denken ließ.
    Niemand hatte seine Anwesenheit bei dieser makabren Arbeit angeordnet, die ihm wie eine fragwürdige Graböffnung vorkam, obwohl er wusste, dass sie notwendig und berechtigt war. Die Ruhe des Toten wurde gestört, die er an diesem Ort fast siebzig Jahre lang gehabt hatte.
    Weil ihn auch niemand wegschickte, nicht einmal Böhm, der eine Art Endspurthektik verbreitete, musste Pieplow selbst entscheiden, ob er bleiben oder gehen wollte. Sogar für die Hälserecker und Knipser am Zaun waren andere zuständig. Böhm hatte sich reichlich Verstärkung aus Bergen mitgebracht. Vor allem Schutzpolizisten, die in ihren Uniformen weit mehr dramatische Wirkung auf die Öffentlichkeit entfalteten als die eher unscheinbaren Kripoleute.
    Neben der weißen Markierungslinie wurde die Maschine in Stellung gebracht, mit der man dem Zement zu Leibe rücken wollte. Dann gingen nacheinander die Scheinwerfer an.
    Pieplow machte sich nichts vor. Andere mochten vielleicht auf das amtliche Mäntelchen hereinfallen, in das er seine ganz gewöhnliche Neugier hüllen konnte. Aber er wusste, dass er hier ebenso überflüssig war wie die zivilen Spanner und selbsternannten Reporter. Eigentlich hätte ihm ein anderes Bild von sich besser gefallen. Das des souveränen Polizisten, der gelassen seiner Wege geht. Seine Arbeit dort weiterführt, wo er tags zuvor aufgehört hatte, unbehelligt von fremder und eigener Sensationslust.
    Eigentlich.
    Pieplow bewegte die Schultern ein wenig auf und ab, bog den Rücken kaum merklich erst nach vorn und dann ins Hohlkreuz zurück. Isometrische Übungen. Vielleicht ließen sich so die Verspannungen nach einer halbwach in einem durchgesessenen Sessel verbrachten Nacht lösen. Als Entscheidungshilfe taugten sie jedenfalls nichts, denn Pieplow stand immer noch am Rand des Geschehens, als der Professor neben ihm auftauchte.
    »Eine Weile wird’s noch dauern, bevor wir etwas zu sehen bekommen. Ich hoffe sehr, dass es gleich auf Anhieb klappt.« Er sprach ruhig. Ganz sachlich. So, als sei es von Bedeutung, dass Pieplow über den Gang der Arbeiten informiert war.
    »Warum hoffen Sie das?«
    »Weil das bedeutet, dass die Erdschicht zwischen Fundament und Skelett dick genug ist, um das eine vom anderen fernzuhalten. Ist sie es nicht, klebt das Objekt unseres Interesses vielleicht mit der Nase im Beton. Da aber das untere Ende, also das, was wir von den Beinen noch sehen können, eindeutig nicht eingegossen …« Für den Professor schien das Problem ausführlich genug dargestellt, er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
    »Verstehe«, sagte Pieplow. Die eine Hälfte im Beton, die andere nicht. »Und was dann?«
    »Dann, mein lieber Wachtmeister, werden wir unter Umständen das ganze Ensemble in die Gerichtsmedizin schaffen müssen. Zementsockel und Skelett. Ich kann mich natürlich irren, aber ich glaube, das hatten wir noch nicht.« Der Gesichtsausdruck des Professors ließ darauf schließen, dass ihn eine solche Möglichkeit keineswegs betrübte.
    Drei Stunden später zeigte sich, dass der Haussockel an Ort und Stelle bleiben konnte. Das Fundament hatte sich bis dorthin, wo der Kopf des Toten liegen musste, Stück für Stück aufnehmen lassen. Mit äußerster Vorsicht wurde nun das verdichtete Erdreich darunter abgetragen. Nichts durfte beschädigt werden. Ein vom Körper abgespreizter Arm

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