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Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Titel: Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Reitemeier , Wolfram Tewes
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anfühlte.
    Schließlich überwand er sich, riss den Umschlag auf, schaute hinein … und ließ ihn laut schreiend zu Boden fallen. Er drehte sich um und erbrach sich schwallartig. Beim Aufprall des Kuverts auf den harten Parkplatzuntergrund war der weiche Inhalt herausgerutscht: ein halbes Ohr!
    Erst als Patrick Rademacher sich wieder etwas erholt hatte, fand er den Mut, sich den Umschlag erneut anzuschauen. Er zog einen Zettel heraus und las: »Ihr kommt alle an die Reihe – einer nach dem anderen …«
    Patrick Rademacher stürmte voller Entsetzen zurück ins Haus. Er zog sich schnell an und überlegte, was zu tun war. Polizei? Auf gar keinen Fall. Der Chef müsste auf jeden Fall informiert werden. Er griff zum Telefon. Doch der Boss nahm nicht ab. Was sollte er tun? Warten? Da fiel ihm ein, dass alle Beweismittel ja noch draußen vor dem Auto beziehungsweise im Wagen lagen. Was, wenn jemand zufällig vorbeikäme und alles mitnähme? Er musste das Ohr und den Zettel unbedingt sicherstellen. Aber er sah sich außerstande, dieses Ohr anzufassen.
    Rademacher suchte in der kleinen Küche nach einem geeigneten Gegenstand und fand eine alte hölzerne Grillzange. Damit bewaffnet, ging er wieder hinaus, fand noch alles so vor, wie er es verlassen hatte, und fummelte mit der Zange das Ohr in den Briefumschlag. Als alles sicher verstaut war, wurde er etwas ruhiger. Rademacher beschloss, noch eine Stunde zu warten und sich dann telefonisch bei seinem Chef zu melden. In der Zwischenzeit konnte er Fotos von der zerstörten Seitenscheibe machen und sich im Krankenhaus erkundigen, wie es um Mike stand. Auch das würde der Chef wissen wollen.
    Eine übernächtigte Krankenschwester teilte ihm mit, dass es Mike ganz gut gehe und dass er noch am Nachmittag auf eigenen Wunsch entlassen würde. Sie ließ aber keinen Zweifel daran, dass sie dies für eine typisch männliche Dummheit hielt.
    »Und dann wundert ihr Männer euch, dass Frauen älter werden als ihr«, gab sie Rademacher noch mit auf den Weg.
    Danach rief er den Chef an, brachte ihn auf den neuesten Stand und bot an, die Beweismittel vorbeizubringen.
    Rademachers gefühlte Erniedrigungen schienen schier endlos zu sein: Mit einem Staubsauger musste er mühsam die Glassplitter von den Vordersitzen entfernen. Danach stieg er in seinen Mini Cooper, nicht ohne einen gewissen Widerwillen. Nie wieder würde er sich unbefangen auf den Fahrersitz fallen lassen können, ohne an dieses entsetzliche Ohr zu denken.
    Als er vor der noblen Villa in der Mallinckrodtstraße stand, fühlte er sich klein, schäbig und eingeschüchtert. Werner Hatzfeld, sein Chef, war einer von denen, die es geschafft hatten, dachte Rademacher. Der angesehene, erfolgreiche Immobilienmakler, fester Bestandteil der Paderborner High Society, dessen Immobilienfirma hier in dieser Villa residierte. Nur wenige Eingeweihte wussten, dass dieser brave Bürger den Großteil seines Vermögens im Rotlichtmilieu erworben hatte. Selbst Rademacher wusste fast nichts über diesen Mann. Nur dass dieser es nach Möglichkeit vermied, persönlich im Club Oase aufzutauchen. Man konnte ja nie wissen, wen man dort antraf. Grundsätzlich galt: Wer etwas mit dem Chef zu klären hatte, musste ins Büro in die Mallinckrodtstraße kommen.
    Werner Hatzfeld saß trotz der frühen Stunde bereits an seinem Schreibtisch. Wie immer war der große, breitschultrige Mann wie aus dem Ei gepellt. Ein Geschäftsmann wie aus dem Bilderbuch. Als er hinter seinem Schreibtisch aufstand, fühlte sich Rademacher, auch wenn er seinen Chef um einen halben Kopf überragte, wie ein kleines Kind. Hatzfeld war einer von denen, die ganz allein einen Raum füllen konnten – mit einer Präsenz, die alles Übrige zu erdrücken drohte.
    Zaghaft legte Rademacher den braunen Umschlag auf den Schreibtisch. Zu seiner großen Verblüffung schien Hatzfeld, der sich wieder gesetzt hatte, ohne Rademacher einen Platz anzubieten, überhaupt kein Problem damit zu haben, das Ohr aus dem Umschlag zu holen und es sich in aller Ruhe anzuschauen. Rademachers Respekt vor seinem Chef wuchs in Unermessliche.
    »Und das war also mal ein Stück von unserem guten Mike?«, sinnierte Hatzfeld mit seiner tiefen Stimme und wirkte fast amüsiert. Doch dann straffte er sich, schaute Rademacher prüfend an und forderte ihn auf: »Setzen Sie sich! Und dann erzählen Sie mal alles der Reihe nach! Aber vergessen Sie nichts.«
    Nachdem Rademacher seinen Bericht minutiös abgeliefert hatte, stand

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