Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Tür aufsprengen?«
»Hast a bessere Idee?«
»Ja. Wir verschwinden.«
»Dann tschüss«, sagte Claudia. »Ich will jetzt verdammt noch mal wissen, was da in dem Haus ist.«
»Lieber Herrgott!«, flehte Wallner. »Schmeiß Hirn vom Himmel! Ihr seid doch von allen guten Geistern verlassen! Wo ist das Zeug überhaupt her? Der Besitz ist illegal.«
»Deswegen war’s wohl auch in der Asservatenkammer.«
»Sprengstoff? In der Asservatenkammer?«
»Auch bei der Polizei gibt’s Idioten.«
»Claudia, bitte! Bremse diesen Wahnsinnigen!«
»Leo!« Claudia sah Kreuthner tief in die Augen.
»Also nicht – oder wie?«
»Leo, ich weise dich hiermit dienstlich an, die Tür gewaltsam zu öffnen.«
»Gewaltsam heißt: sprengen?«
»Alles, was nötig ist.« Claudia packte die Masse aus dem Beutel und knetete sie vorsichtig. »Reißt es mir jetzt gleich die Hand weg?«
»Nein. Da kann gar nix passieren. Das Zeug reagiert net auf Druck. Schau …« Kreuthner nahm Claudia die Masse aus der Hand und schleuderte sie auf die Eingangstür. Wallner zuckte zusammen und drehte sich weg, und auch durch Claudia ging ein Zucken. Aber der weißgraue Batzen klebte nur kurz am Türblatt und tropfte dann auf den Boden. Kreuthner hob ihn auf und drückte die Masse an das Türschloss.
»Ist das nicht ein bisschen viel?« Wallner machte einen letzten Versuch, der Vernunft eine Bresche zu schlagen.
Kreuthner sah ihn nachsichtig an. »Keine Ahnung von Sprengstoff, oder?«
»Wir hatten das mal auf der Polizeischule. Es kommt mir irgendwie viel vor. Nicht dass hier überall die Scheiben rausfliegen.«
Kreuthner steckte zwei Drähte in die C4-Masse und spulte die Rolle ab. »Des is doch keine Fliegerbombe. Das macht kurz plop, und die Tür ist offen.«
»Wie oft hast du so was schon gemacht?«
»He, Mann. Hast du noch nie Fernsehen geschaut? In jedem zweiten Krimi machen die das.«
»Mein Frage war: Wie oft hast du das schon gemacht?«
»Ich war mal mit meinem Onkel Simon beim Dynamitfischen. Ich kenn mich aus mit Sprengstoff.«
»Dir ist klar, dass Dynamitfischen gleich mehrere Straftatbestände erfüllt? Unter anderem das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Wilderei und Verstoß gegen das Verbot des Kriegswaffenbesitzes.«
»Da kann mir keiner was am Zeug flicken. Ich war damals erst sechs. Oder?«
»Nein«, sagte Claudia. »Mit sechs darfst du das.«
»Gut, ich halte mal fest: Du hast noch nie eine Sprengung mit C4 gemacht.«
»Jetzt lass mich doch mal in Ruhe.« Kreuthner hatte die Batterie hervorgeholt und schloss einen der Drähte an.
»Er hat es noch nie gemacht!«, wandte sich Wallner an Claudia. »Ich bin so arschfroh, dass sie keine Atomwaffen in der Asservatenkammer lagern.« Er legte Kreuthner, der soeben letzte Vorkehrungen traf, die Hand auf die Schulter. »Würdest du kurz warten, bis ich ein paar Schritte auf die Seite gegangen bin. Claudia, bitte komm hierher.«
Claudia lachte erheitert, als sie Wallner hinter die Hausecke folgte. »Du musst jetzt schützend den Arm um mich legen.«
»Stell dich einfach hinter mich. Umherfliegende Splitter werden durch meine Eingeweide gebremst.«
Claudia tat, wie Wallner ihr geheißen hatte, und schob ihre Hände zuerst unter seine Daunenjacke, dann von oben in seine Hose.
»Claudia, wir sind im Dienst.«
»Deswegen schütze ich deine sensiblen Körperstellen«, sagte Claudia und senkte ihre Hand noch tiefer in Wallners Hose. Wallner stockte kurz der Atem. Er wollte etwas sagen, war aber so verwirrt, dass ihm nichts einfiel, was auch nur im mindesten souverän geklungen hätte.
»Sprengung in minus zehn Sekunden!«, rief Kreuthner und hielt den zweiten Draht in die Nähe des freien Batteriepols.
Wallner überlegte immer noch, was er zu Claudias Händen sagen sollte, und hatte gleichzeitig den beunruhigenden Eindruck, dass Kreuthner nervös war.
»Minus fünf Sekunden!«, rief Kreuthner. Da er stark zitterte, geriet der Draht in seiner Hand an das Metall der Batterie und löste die Explosion aus.
Der Anblick war so gewaltig wie der Knall. Ein Feuerball schoss von der Haustür zur gegenüberliegenden Grundstücksmauer und riss ein fünf Meter breites Loch hinein. Die Steine der Mauer wurden über die Straße in einen Apfelbaum geblasen, den das Bombardement auf der Stelle entwurzelte. Ein Stück der Mauerkrone mit den einbetonierten Glassplittern schlug in einen Traktorreifen ein und blieb dort stecken.
In zwanzig Metern Höhe sah Wallner die Aluminiumleiter,
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