Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
München und Rosenheim entsandt worden, damit man auf eine den Aufgaben angemessene Personalstärke von knapp dreißig Männern und Frauen kam.
Lukas stellte den Polizisten die Staatsanwältin vor, die die Ermittlungen leiten würde, und verheimlichte nicht, dass sie seine Tochter war. Probleme habe er damit nicht. Er nehme, seit sie auf der Welt sei, Anweisungen von Claudia entgegen. Anschließend brachte er die Beamten kurz auf den Stand der Ermittlungen.
Dann kam Wallner an die Reihe, dem die Sichtung der zahlreichen Videos und schriftlichen Unterlagen oblag. Er wurde gebeten, kurz darzulegen, wie er vorgehen wollte.
»Die Überwachungsvideos aus dem möglichen Tatzeitraum haben wir bereits gesichtet. Leider ohne Ergebnis. Allerdings fehlt das Video vom Einfahrtstor. Vermutlich hat es der Täter mitgenommen. Im Übrigen konzentrieren wir uns zunächst auf die neueren Aufzeichnungen und Videos. Uwe Beck war ein Sonderling und hat offenbar seine gesamte Nachbarschaft ausspioniert und über alle möglichen Ereignisse in Dürnbach Aufzeichnungen angefertigt. Bei den Videos gibt es zwei Sorten: Da sind die Überwachungsvideos, die er einen Monat lang aufbewahrt hat. Einen Teil haben wir, wie gesagt, schon gesichtet. Wir müssen uns aber auch den Rest ansehen. Wir reden hier immer noch von siebenundzwanzig mal vierundzwanzig Stunden und das Ganze mal drei Kameras. Das meiste kann man natürlich im Schnelldurchlauf anschauen. Ist trotzdem nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Bei den anderen Videos gehen wir chronologisch rückwärts vor. Es ist natürlich schwer zu sagen, wonach wir eigentlich suchen. Aber wenn Beck eine Straftat gefilmt hat oder Leute beim Liebesspiel, die anderweitig verheiratet sind, dann liefert das möglicherweise ein Mordmotiv. Dazu gibt es zwei Theorien: Beck hat jemanden erpresst, oder der Täter hat irgendwie herausbekommen, dass Beck was über ihn wusste. Zweite Möglichkeit: Wir ermitteln gerade wegen eines Mordes aus dem Jahr 1945. Beck besaß darüber offenbar Informationen, die er uns vorenthalten hat. Sie bekommen nachher die Fotos von drei Männern aus Dürnbach, die wir in Verdacht haben, dass sie uns ebenfalls etwas in dieser Sache verheimlichen. Wenn einer dieser Männer in den schriftlichen Aufzeichnungen, Fotos oder Videos auftaucht, dann müssen wir uns das in jedem Fall näher ansehen.«
Ein Münchner Kollege wollte wissen, ob andere Mordmotive als die von Wallner genannten ausgeschlossen würden.
»Alles ist möglich«, sagte Lukas. »Nur haben wir für andere Motive keine Anhaltspunkte. Beck hatte kaum Kontakt mit anderen Leuten. Deswegen sind die von Herrn Wallner genannten Motive einfach die wahrscheinlichsten. Verwandte konnten übrigens auch noch nicht ausfindig gemacht werden. Also wegen der Erbschaft war’s ziemlich sicher auch nicht. Zumal Beck hauptsächlich Schulden hinterlassen hat.«
»Stimmt das, dass ihr das Haus in die Luft gesprengt habts?«, wollte ein Ermittler aus Rosenheim wissen.
Claudia wollte antworten, aber Lukas deutete an, dass er das übernehmen würde. »Es war Gefahr im Verzug, und es war keine Zeit, den Schlosser zu holen. Es stimmt, die Tür wurde beschädigt.«
Es herrschte kurz Schweigen im Saal. Dann prustete ein Beamter der Spurensicherung los, der am Tatort gewesen war.
»Ja, es wurden auch Teile der Wand beschädigt. Aber das Verfahren läuft noch. Deswegen hier und jetzt keine weiteren Auskünfte. An die Arbeit.« Stühle wurden gerückt, Gespräche begannen, die Mitarbeiter machten sich auf den Weg nach draußen.
»Ach, eins noch«, meldete sich Wallner. Die Soko-Beamten hielten inne. »Von den Aktenordnern, die wir im Archiv des Opfers gefunden haben, fehlt einer – der aus dem Jahr 1945. Wir hatten gehofft, durch Filmnegative wenigstens die Fotos aus dieser Zeit sichten zu können. Nur haben wir keine Negative gefunden – was uns wundert. Man sollte meinen, dass Beck so etwas aufgehoben hätte. Falls also jemand in den Unterlagen einen Hinweis auf den Verbleib der Negative entdeckt, bitte sofort Bescheid sagen.«
Man hatte fünf Videorecorder beschafft, auf denen die Beamten gleichzeitig die Bänder ansehen konnten – darunter auch Wallner selbst. Außerdem hatte Wallner Kreuthner angefordert, weil er in Dürnbach aufgewachsen war und Leute und Örtlichkeiten kannte. Um die anderen Soko-Mitarbeiter nicht zu stören, wurden die fünf Recorder in einem separaten kleinen Besprechungsraum untergebracht. Die Verhältnisse
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