Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
wir auf die Auswertung der Anrufliste.«
»Damit kann ich dienen«, sagte Höhn. »Beck hat an dem Nachmittag, bevor das Video aufgenommen wurde, mit Haltmayer telefoniert. Davor hatte er noch mit jemand anderem telefoniert. Erst hat er die internationale Telefonauskunft angerufen. Dann eine Nummer in Sankt Moritz. Und raten Sie mal, wen?«
»Keine Ahnung. Kennen wir den?«
»Nein. Aber der Name wird Ihnen bekannt vorkommen.«
Wallner und die anderen Kollegen warteten gespannt darauf, dass Höhn seine Kunstpause beendete.
»Der Mann heißt Dietmar Jonas.«
30
D ietmar Jonas war erstaunt darüber, zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen einen Anruf aus Oberbayern zu erhalten. Er hatte eine angenehme Stimme mit vornehm schweizerischer Färbung und fragte Wallner, nachdem der sich vorgestellt hatte, womit er dienen könne.
»Vor ein paar Tagen hat Sie ein Mann namens Uwe Beck aus Dürnbach angerufen.«
»Ist das eine Feststellung oder eine Frage?«
»Es ist eine Feststellung. Wir haben Becks Telefondaten. Natürlich wissen wir nicht, ob er mit Ihnen persönlich telefoniert hat. Aber er hat Ihre Nummer angerufen.«
»Was wollen Sie von mir wissen?«
»Uwe Beck wurde kurz nach dem Telefonat mit Ihnen ermordet. Wir wüssten gerne, warum er Sie angerufen hat.«
»Ermordet? Um Himmels willen. Nun, unser Telefonat war eher privater Natur. Sagen Sie mir, warum vermuten Sie, dass ausgerechnet ich Ihnen weiterhelfen kann? Herr Beck wird sicher auch mit anderen Menschen telefoniert haben.«
»Ihr Name ist uns aufgefallen.«
»Wie das? Ich glaube nicht, dass ich Verbindungen in Ihre Gegend habe.«
»Ihre Mutter war Edith Jonas?«
Am Ende der Leitung herrschte Stille.
»Das war jetzt eine Frage.«
»Das ist sehr seltsam, dass Sie das fragen.« Jonas räusperte sich. Er war hörbar konsterniert. »Es weiß eigentlich niemand etwas über meine Mutter. Ich bin nicht bei ihr aufgewachsen. Wie haben Sie das herausbekommen?«
»Wir haben es nicht herausbekommen. Wir haben es nur vermutet. Der Name Edith Jonas tauchte bei unseren Ermittlungen in einem anderen Mordfall auf, in dem Uwe Beck eine Rolle spielt. Da dachten wir, es ist vielleicht kein Zufall, dass er Sie angerufen hat.«
»Darf ich fragen, was für eine Rolle meine Mutter in einem Mordfall spielt?«
»Wir vermuten, sie ist die Mutter des Opfers. Frieda Jonas. Ist das Ihre Schwester?«
Wieder brauchte Jonas eine Weile, um zu antworten. »Ja, es … es gab eine Schwester. Das ist lange her. Wir wurden vor dem Krieg getrennt. Sie war um einiges älter als ich. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.«
»Es tut mir leid für Sie. Aber ich fürchte, sie ist tot. Sie starb vermutlich 1945.«
»Wie ist sie gestorben?«
»Sie wurde erschossen. Über die näheren Umstände wissen wir noch nicht viel. Wir dachten, vielleicht könnten Sie uns helfen. Zunächst einmal würde uns interessieren, was Beck mit Ihnen zu bereden hatte.«
»Das war sehr seltsam. Er hat mir angeboten, dass er mir viel Geld verschaffen kann, wenn ich ihm eine Provision dafür gebe. Ich hatte noch nie von ihm gehört.« Es folgte eine kurze Pause. »Sagen Sie – wo hat dieser Herr Beck gelebt?«
»Ein Dorf namens Dürnbach. In der Nähe des Tegernsees.«
»Jetzt im Zusammenhang – ja, der Name sagt mir etwas. Ich habe auch noch einiges an Material über meine Mutter. Briefe, alte Fotos. Da ist bestimmt irgendwo meine Schwester drauf. Ich hab es lang nicht mehr angeschaut. Wenn Sie das interessiert, können Sie es sich ansehen.«
»Das wäre wunderbar. Ich kann zu Ihnen nach Sankt Moritz kommen, wenn Ihnen das recht ist.«
»Das wäre wohl das Beste. Dann können wir den Rest in Ruhe besprechen. Ich muss nämlich wieder in den Laden.«
Wallner brach noch am gleichen Tag mit dem Dienstwagen in die Schweiz auf. Es herrschten winterliche Wetterverhältnisse, und die Fahrt dauerte über sieben Stunden, denn es gab zwei Unfälle auf der Strecke. Wallner hatte also viel Zeit zum Nachdenken. Von einer Raststätte aus rief er Höhn in Miesbach an.
»Mir ist auf der Fahrt was eingefallen«, sagte Wallner. »Und zwar: Dem alten Ägidius Haltmayer scheint Frieda Jonas viel bedeutet zu haben. Sonst baut man nicht so ein Grab. Vielleicht war sie ja in irgendeiner Weise mit ihm verwandt. Oder vielleicht hat er ein Testament zu ihren Gunsten gemacht. Wie könnte man so etwas herausbekommen?«
»Da müsste man mal in die Amtsgerichtsakten schauen. Vielleicht findet sich da was aus der
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