Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
Zeit gut besucht. Zwei Männer und drei Frauen mit grauer Haut und nachlässiger Kleidung hatten die Glücksspielautomaten okkupiert, rauchten Kette, tranken Bier und billigen Weißwein und bedienten mehrere Automaten gleichzeitig. Es klingelte und piepte aus allen Ecken des Raumes, gelegentlich klimperten auch Münzen aus einem der Automaten.
Der Dicke Pete war nicht wirklich dick. Er war kräftig, groß, um die fünfzig, hatte ondulierte blonde Haare und trug einen hellen Anzug mit Cowboystiefeln. Als Kreuthner und Wallner die Spielhalle betraten, wechselte Pete gerade einem Kunden einen Schein in Kleingeld.
»He, des gibt’s ja net! Der Leo! Geh her, oider Verbrecher!« Er nahm Kreuthner in den Arm und drückte ihn, als sei der verlorene Sohn zurückgekehrt. »Mann! Wie lang is des her? Drei Jahre?«
»Könnt hinkommen. Du, Pete – mir bräuchten deine Hilfe.«
»Kommt’s mit hinter. Da können mir in Ruhe reden.«
»Ich hab’s dir ja gesagt: Des is praktisch der Vater, den ich nie hatte!«, flüsterte Kreuthner, während sie Pete folgten.
Im hinteren Teil der Lokalität war ein spärlich eingerichteter Raum mit Kaffeemaschine, Spülbecken, einem Tisch, mehreren Stühlen und ein paar Sportpostern an der Wand, die davon zeugten, dass derjenige, der hier in Einrichtungsfragen zu entscheiden hatte, Anhänger des TSV 1860 war. Ein junger Mann in Lederjacke und Cowboystiefeln las einen Comicstrip. Was er hier zu suchen hatte, war unklar. Pete gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er hinausgehen sollte. Nachdem der junge Mann sich mit seinem Comic in die Spielhalle verabschiedet hatte, wandte sich Pete Kreuthner zu und legte seinen Arm um dessen Schulter.
»Mensch, Leo«, sagte er und drückte Kreuthner an sich. »Du hast echt Nerven.«
Kreuthner war etwas verunsichert. »Was meinst jetzt damit?«
»Ich mein, dass du hier einfach reinspazierst, wie wenn nix wär.«
Pete legte seine riesige Hand an Kreuthners Hinterkopf, packte die Haare, schlug Kreuthners Gesicht zwei Mal heftig auf die Tischplatte und schrie: »Du spinnst ja wohl!!!«
Kreuthner hielt eine Hand an sein schmerzendes Gesicht und suchte ein paar Schritte Abstand zu Pete. »He, Scheiße! Was soll das?« Seine Nase blutete.
»Tut weh, was?«
»Ja, verdammt!«
»So fühlt sich’s an, wenn man seine Schulden net zahlt.« Er ging wieder bedrohlich auf Kreuthner zu.
Wallner trat dazwischen und präsentierte seinen Polizeiausweis. »Stopp! Keinen Schritt weiter. Sonst verhafte ich Sie wegen Körperverletzung!«
»Wer is’n der Komiker?« Pete suchte Kreuthners Blick.
»Is okay. Des is a Kollege von der Kripo.«
»Sauber!« Pete überlegte kurz, nahm eine Zigarette aus einer angebrochenen Schachtel in seiner Jacketttasche und setzte sich auf den Tisch. »Körperverletzung, junger Freund, wird nur auf Antrag verfolgt. Stellt hier irgendwer an Antrag?« Er sah zu Kreuthner.
»Geh, Schmarrn. Des war a Spaß.« Kreuthner näselte etwas, weil er ein Papiertaschentuch unter seine blutende Nase hielt.
»Na also. Und jetzt amal zu deine Schulden. Vor drei Jahren bist einfach verschwunden. Wo du noch Schulden gehabt hättst. Lasst bei dir’s Gedächtnis schon nach?«
»Ach, du meinst die hundert Mark wegen dem …«
»Genau. Wegen dem. Wollen mir deinen Kripofreund mal net in Verlegenheit bringen. Inzwischen san’s fünfhundert Mark.«
»Das sind ja wohl nicht Zinsen?«, mischte sich Wallner ein.
»Zinsen, Schadensersatz, Schmerzensgeld wegen der menschlichen Enttäuschung. Nenn es, wie du magst. Jedenfalls krieg ich fünf Blaue von deinem Freund. Dann können mir uns unterhalten.«
»Pass auf.« Kreuthner zückte sein Portemonnaie und entnahm ihm sämtliche Geldscheine. »Hundertzwanzig. Als Anzahlung. Okay?«
»Nein. Bestimmt net.« Pete nahm Kreuthner die Scheine aus der Hand und steckte sie in sein Jackett. »Glaubst, ich wart noch amal drei Jahre?«
Kreuthner sah zerknirscht zu Boden, dann zu Wallner. Der hatte den Eindruck, dass er gefordert war. »Was schaust mich so an?«
»Jetzt komm! Kriegst es morgen wieder. Spätestens nächste Woch.«
»Ich hab keine dreihundertachtzig Mark.«
»Ums Eck is a Geldautomat.«
»Dann geh doch selber hin.«
»Der gibt mir nix mehr.«
Wallner sah Kreuthner angestrengt ins Gesicht. »Ich soll dem Gangster da dreihundertachtzig Mark geben? Die ich wahrscheinlich nie wiederkrieg?«
Inzwischen hatten sich der Comic-Liebhaber und ein anderer, ziemlich breit gebauter Mann in
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