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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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der köstlichen Unangepasstheit fing Justin langsam an, diese Stadt zu verabscheuen.
    Es war Freitagnachmittag, und er lauschte dem Geklapper des Ventilators, der auf den Aktenschrank gequetscht worden war. Er wirbelte die abgestandene Luft auf, brachte aber keine wirkliche Erleichterung. Hatte die Polizei noch nichts vom Ölen gehört? Er wollte schon fragen, traute sich aber nicht. Vielleicht hätte man ihn in einer anderen Zeit aufgrund seiner eigenen Vergehen hierhergebracht, dann hätte er den Klugscheißer spielen können. Er wäre in die Haut eines anderen geschlüpft, hätte sich verprügeln lassen und sie wegen Polizeibrutalität verklagt. Zumindest wäre das in früheren Zeiten sein Plan gewesen, auch wenn er niemals funktioniert hätte.
    Und heute? Er war aus freien Stücken hier und versuchte, die Rolle eines guten Bürgers zu spielen und somit Gutes zu bewirken.
    »Sie wissen, wie sich das anhört, nicht wahr?«, sagte der Cop. Detective Sergeant Crawford. Er war etwa Mitte vierzig und sah so knackig aus wie ein frischer Geldschein. Selbst seine Krawatte wirkte, als habe er sie gebügelt.
    »Denken Sie etwa, das wäre mir nicht klar?« Justin rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Es war ein Holzstuhl, und es war ihm bisher noch nicht gelungen, eine einzige bequeme Position zu finden. Er nahm an, dass er ob all dieses Herumgerutsches irgendwie schuldig wirkte, dabei hatte er noch nicht mal bei Rot die Straße überquert, seit er an diesem Morgen mit April in die Stadt gekommen war. »Ich klinge entweder wie ein Spinner oder wie jemand, der Andrew Jackson Mullavey an den Karren fahren will. Okay, vielleicht finden Sie ja einige Leute, die gegen ihn aussagen, aber meinen Sie wirklich, ich würde Ihnen das ohne guten Grund erzählen? Mullavey Foods ist einer der größten Kunden meines Arbeitgebers. Ich würde ja mein eigenes Nest besudeln, wenn es nicht stimmte.«
    Crawford stütze das Kinn auf die Hände und die Ellenbogen auf den Schreibtisch. »Sehen Sie die Sache doch mal einen Augenblick lang von meinem Standpunkt aus.« Er zählte die Fakten an den Fingern seiner rechten Hand ab. »Wir hatten einen Verdächtigen, der bei Granvier angestellt war. Wir hatten ein Geständnis. Er besaß noch immer den Großteil der Beute, die aus dem Raub stammte, bei dem auch das Zyanid gestohlen wurde. Er gestand, beide Verbrechen allein begangen zu haben.« Vier Finger waren schon besetzt und es ging weiter; Crawford wechselte zur linken Hand, und bumm, waren alle Finger auf einmal belegt. »Die Integrität von A.J. Mullavey steht außer Frage. Aber vergessen wir ihn mal für eine Sekunde, okay? Vergessen wir, dass es um ihn geht. Was Sie mir hier vortragen, ist selbst bei jemandem, von dem ich noch nie etwas gehört habe, mehr als dünn. Aber Sie zeigen mit dem Finger auf ihn und bringen dann so eine Geschichte vor? Es tut mir leid, Mr Gray …«
    Justin fing an, die Unbequemlichkeit des Stuhls zu vergessen. Er hatte weitaus Unangenehmeres zu erdulden; er machte sich hier gerade völlig zum Narren. »Ich bin nicht mit leeren Händen hierhergekommen.« Er zeigte auf den Tisch; dort lagen die Kopie, die er von der Diskette angefertigt hatte, und der Ausdruck. »Zwei Dateien auf der Diskette gehören dort nicht hin. Stimmen Sie mir wenigstens in diesem Punkt zu?«
    Crawford streckte besänftigend die Hände aus. Dies war ja fast so, als würde man um den Preis für einen Gebrauchtwagen feilschen.
    »Nehmen wir mal an, ich würde jemanden finden, der aussagt, dass Mullavey ihn angerufen und unter falschen Voraussetzungen dazu gebracht habe, die Diskette zu suchen, damit er sie zurückbekommt.« Er hoffte, dass es nicht wirklich so weit kommen würde. Mullaveys Anwälte würden Todd Whitley so einfach auseinandernehmen, wie man einen Frosch sezieren konnte. Justin Gray, der Entführer und Verhörer mit einer gemeingefährlichen Katze. »Würde das einen Unterschied machen?«
    Detective Crawford schüttelte den Kopf. »Diese Diskette könnte jederzeit von irgendjemandem benutzt worden sein. Sie ist nicht einmal in Mullaveys Besitz, sondern in Ihrem.« Er legte seine Finger wieder aneinander. »Wissen Sie, was passiert, wenn Sie damit vor Gericht gehen? Sie werden gleich wieder rausgeworfen und hätten noch jede Menge Zeit bis zum Mittagessen. Und das ist die reine Wahrheit.«
    Justin argumentierte, und Crawford hörte zu, und für jede winzig kleine Tatsache, etwas, das nicht zusammenpasste oder Mullavey auch nur irgendwie

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